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Interview mit Lisa Röckener: „Besser und weiter komme ich ohne Leckerlis “

Lisa Röckener, 27, ist Turnierreiterin und Star vieler Pferdeshows. Sie hat eine ganz eigene Art des Pferdetrainings entwickelt, die Disziplin und Spaß verbindet. Für sie ist das Pferd ein Kumpel, kein Sportgerät und sie legt sich mit ihm auch mal auf die Weide, um sich die Sterne anzugucken. Zurzeit berichtet Lisa auf Instagram über den VGH Cup und wir haben mit ihr darüber gesprochen, welche Bedeutung der Pferdesport heute für sie hat und wohin er sich entwickeln sollte.

Lisa Vogt Redakteurin JetztLosleben VGH
von Lisa Berendes6 Juli, 2022

Als 1998 Robert Redfords Film „Der Pferdeflüsterer“ in die Kinos kam, war Lisa Röckener drei Jahre alt. Sie lebte in der Nähe von Osnabrück auf dem Hof ihrer Eltern, Pferde waren wie Geschwister für sie: „Bei uns ging es erst aufs Pony und dann in den Kinderwagen.“ Mit zweieinhalb hatte sie schon an ihrem ersten Führzügelwettbewerb teilgenommen. „Das ist heute gar nicht mehr erlaubt“, sagt Lisa Röckener und lacht.

Damals herrschte im Pferdesport vor allem Zucht und Ordnung, Pferde hatten zu gehorchen und zu funktionieren. In diese Szene platzte der Film des Pferdeverstehers, der schwierige Tiere wie ein guter Psychologe behandelte, wie eine Bombe. Wer ein Pferd vorrangig als Sportgerät versteht, fühlt sich von dem Motto „Tiere sind auch nur Menschen“ selbstverständlich angegriffen.

Lisa bekam von den Diskussionen rund um die Tierquälerei im Pferdesport nicht viel mit, wurde selbst erfolgreiche Turnierreiterin. Sie begeisterte sich besonders für das Vielseitigkeitsreiten und wurde als Teenagerin für den Perspektivkader der Junioren nominiert. Kurz nachdem sie Teil davon wurde, kam es zu einem tiefen Einschnitt in ihrem Leben.

2013 stürzte sie schwer beim Geländetraining. Plötzlich war die Vorstellung, zu reiten, für Lisa vor allem von einem Gefühl geprägt: Angst. „Das geht in der Vielseitigkeit gar nicht. Man darf schon Respekt haben vor den Sprüngen, aber keine Angst. Das war der Punkt, an dem ich mir gesagt habe: Das mit dem Leistungssport klappt nicht mehr. Aber ich wusste eben auch, dass ich ohne Pferde nicht kann. Ich habe also begonnen, neue Sachen auszuprobieren. Ich konnte über das Horsemanship eine neue Bindung und neues Vertrauen zu meinem Pferd aufbauen und mich neu motivieren.“ 

Das Ziel: fair reiten

Das Wort „Horsemanship“ fällt oft im Zusammenhang mit Lisa. Sie gilt seit 2013 als die Frau, die zwei Welten des Pferdesports verbunden hat: Leistung und Spaß. „Ich will die Leistungssportler nicht runterziehen, aber im Horsemanship wird einfach mit noch mehr Feingefühl auf die Reaktionen des Pferdes geachtet. Es geht weg von dem ausschließlichen Gedanken „Ich will höher, schneller, besser werden“. Freiarbeit steht im Zentrum, das Pferd wird eher als guter Kumpel gesehen.“

Und wie sieht das ganz konkret aus? „Beim Turnierreiten hat das Pferd eine Trense im Maul, daran sind die Zügel befestigt. In der Freiarbeit verzichtet man auf die Trense und nutzt einen Halsring, eine Art Seil, das dem Pferd um den Hals gelegt wird. Um das Pferd zu reiten, werden vor allem die Schenkel und das eigene Körpergewicht genutzt. Das Pferd muss dabei genauer zuhören und der Reiter genauere und feinere Impulse geben, damit das Zusammenspiel funktioniert. Die Leistung wird beim Horsemanship nicht in der Höhe oder darin gesucht, wie schnell ich im Parcours bin, sondern darin, wie ich einem Pferd eine Lektion verständlich machen kann. Es ist einfach ein anderer Weg im Pferdesport, der leider immer noch zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Die Schere zwischen klassischem Turniersport und Horsemanship geht oft weit auseinander. Obwohl es sich um zwei Routen handelt, die man super kombinieren kann.“

Nachtragend zu sein, bringt nichts

Wie gut diese Kombination gelingt, verfolgen mittlerweile 147.000 Follower auf dem Instagram-Account. Man sieht, wie viel Spaß die 27-Jährige im Leben hat und mit ihren Pferden: in spektakulären Shows, die große Hallen füllen, aber auch beim Ausritt zwischen Feld und Wiesen.

Mit ihrem Motto als Pferdeausbilderin „Konsequent, aber freundlich“ ist Lisa immer noch als Grenzgängerin unterwegs: „Im Horsemanship werden Pferde viel über Leckerlis trainiert. Ich denke, dass ich ohne sie besser und weiter komme. Viele glauben, dass man sich nicht konsequent durchsetzen sollte, weil Pferde ja Freunde sind. Ich bin aber der Meinung, dass man Regeln und Grenzen ganz klar aufzeigen muss, sonst kann man gemeinsam mit dem Pferd nichts erreichen. Ich kann mich in einem Moment durchsetzen und im nächsten Moment wieder Best Friend mit dem Pferd sein. Dieses Umschalten ist meist die größte Schwierigkeit. Nachtragend zu sein, das müssen wir bei Pferden ablegen.“ 

Hilfreiche Stall-Hacks

Mittlerweile lebt Lisa drei Kilometer vom elterlichen Hof entfernt in ihrer eigenen Wohnung. Ihre Pferde Valoo und Jack werden auf dem Hof von ihr trainiert. Sie gibt Menschen, die mit ihren Pferden auf den Hof kommen, Unterricht und kümmert sich täglich um ihre Social Media-Kanäle. Obwohl sie seit November 2021 ihr Staatsexamen als Lehrerin hat, setzt sie weiterhin voll auf ihre große Leidenschaft, das Reiten.

Stimmt es eigentlich, dass sie sich nachts auch mal zu ihrem Pferd auf die Wiese legt, um gemeinsam in die Sterne anzugucken? „Ich glaub‘ nicht, dass er sich die Sterne anguckt. Aber wenn man da so neben dem Pferd liegt und schöne Musik anhat, das ist schon ganz cool. Pferde gehören bei uns eben zur Familie. Das ist nicht so, als wenn ich mein Rennrad aus dem Stall holen würde. Natürlich möchte ich auch Leistung erreichen, aber immer so, dass ich es auch vertreten kann.“

Ihre Bachelorarbeit hat Lisa über die Bedeutung der Fitness bei Reitenden geschrieben. Vor allem im Freizeitreiten, so ihr Fazit, werde zwar darauf geachtet, dass das Pferd fit bleibt, die Reitenden vernachlässigen aber ihre eigene Fitness. Lisa selbst joggt regelmäßig, früher ist sie sogar Marathon gelaufen. Zwischendurch hat sie auch zwei Bücher geschrieben, eines voller Stall-Hacks.

Welche Hacks sind eigentlich besonders praktisch? „Besonders interessant ist doch, wie man einen Windelverband macht, wenn man gerade nichts anderes da hat. Oder wie ich mir kostengünstig einen Halsring bastele. Wissen rund um die Grundfütterung ist auch extrem hilfreich. Nur wenn ich die Basics kenne, kann ich das optimale Futter für meine Pferde aussuchen.“

„Keinen Bock aufs Reiten? Kann ich voll verstehen!“

Wenn Lisa durch ihre Lehrerinnen-Brille auf den Reitsport schaut, ist sie dann nicht der Meinung, dass Reiten ein Schulfach sein sollte, weil es allen Kindern guttun würde? „Ich verstehe es voll, wenn ein Kind sagt: Ich habe keinen Bock auf Pferde. Mich bräuchte man auch nicht auf den Fußballplatz zu stellen. Aus meiner Sicht als Lehrerin glaube ich aber, dass man mit Schülern beim Reiten schon wichtige Dinge erarbeiten kann, die über den Reitsport hinausgehen: Verantwortung übernehmen, Bezug zur Natur herstellen, oder wie die Kommunikation mit Tieren läuft. Es gibt ja mittlerweile auch Firmen, die Pferde im Coaching einsetzen.“  

Den reitenden Nachwuchs unterstützt Lisa ganz einfach außerhalb der Schule. Seit drei Jahren begleitet auf ihren Social Media-Kanälen den VGH Cup. Gemeinsam mit den Pferdesportverbänden Hannover, Bremen und Weser-Ems fördert diese Turnierserie seit 1995 ganz gezielt den reitenden Nachwuchs. Drei der 25 Finalteilnehmende können mit dem Sprung aufs Siegertreppchen tolle Preise gewinnen – von der gesammelten Erfahrung ganz abgesehen. Lisa will helfen, das Projekt zur Nachwuchsförderung im Reitsport noch mehr publik zu machen: „Es ist einfach eine sehr coole Chance für junge Reiter.“

Wenn sie die Möglichkeit hätte, eine Art Kanzlerin des Pferdesports in Deutschland zu werden, was würde sie dann ändern? „Ich würde es ermöglichen, dass die Reiter untereinander mehr in den Austausch kommen und in verschiedene Sparten schauen können. Viele sind eigentlich offen dafür. Wir könnten mehr voneinander lernen und den Sport zum Wohl der Pferde voranbringen.“ Und nervt es sie eigentlich, dass sie tatsächlich auch manchmal als Pferdeflüsterin bezeichnet wird? „Nö. Ich flüstere zwar nicht mit meinen Pferden, aber ansonsten passt das irgendwie schon.“

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