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Heuschnupfen: Leben am Tempo-Limit

Unsere Autorin bekommt jährlich zu spüren, dass Heuschnupfen mehr ist als nur eine Rotznase und juckende Augen. Mittlerweile weiß sie: Wer eine Pollenallergie früh genug therapiert, vermeidet weitere Allergien und Asthma. Dafür ist es bei ihr zu spät, aber immerhin kann sie nützliche Tipps an Mitallergiker weitergeben: Was man mit seinem Arzt besprechen sollte, worauf bei Körperhygiene und Putzroutine zu achten ist und dass z.B. Masken echte Abhilfe verschaffen können. Wer das Problem endgültig lösen will, kann außerdem eine Hyposensibilisierung angehen – quasi eine Impfung gegen Heuschnupfen. Der richtige Zeitpunkt dafür ist jetzt: Denn aufgrund des Klimawandels wird sich das Leiden der Heuschnupfen-Allergiker in den nächsten Jahren noch verschlimmern.

Redakteurin Annika Adler
von Annika Adler22 April, 2021
Pillen und Blüten auf dem Tisch zeigen die zwei Seiten der Pollenallergie

Ich wälze mich vollkommen erschöpft auf die Seite. Es ist das fünfte Mal in dieser Nacht, dass mich das Gefühl, keine Luft zu bekommen, aus dem Schlaf gerissen hat. Fünfzehn Minuten lang wurde ich von meinem eigenen Husten hin und her geworfen, immer an der spannenden Grenze zwischen „Kommt da gleich ein bisschen Abendessen mit?“ und „Ab wann wird man eigentlich ohnmächtig?“. Ich bin mir nicht sicher, ob es tatsächlich am Asthmaspray liegt oder ob mein Körper von allein gemerkt hat, dass er die Allgemeinsituation gerade etwas dramatisiert, aber irgendwann wird es besser. Ich starre an die dunkle Decke. „Das Ironische ist ja, dass mein Körper hustet, weil er denkt, dass er so besser atmen kann, aber dass ich, während ich huste, gar keine Luft bekomme“, denke ich. „Die Krone der Schöpfung…“. Leise lache ich in mich hinein und fange direkt wieder an zu husten. Ich habe keine Lust mehr, morgen muss ich arbeiten.

Juckt mich nicht - Der Beginn einer Odyssee

Das erste Mal habe ich den Begriff „Heuschnupfen“ in der Grundschule gehört. Ich erinnere mich noch an das erschrockene Gesicht meiner Mutter, als sie mich nach zwei Stunden Toben auf dem Sommerfest der Klasse wiedergefunden hatte. Mit halb-zugeschwollenen Gesicht, hochroten Augen und einer triefenden Nase. Im Nachhinein war klar: Durch viele Quadratkilometer voll in Blüte stehender Maisfelder zu rennen, war nicht die beste Idee.

Damals hatte mir meine Mutter erklärt, dass ich eine Allergie gegen bestimmte Pollen habe, also kaum sichtbaren Blütenstaub, der scheinbar in der Luft herumfliegt. Damit war ich Teil der knapp 12,5 Millionen Menschen in Deutschland, die unter Heuschnupfen leiden.

Wirklich interessiert hat mich das nicht. Ich war trotzdem in Wiesen und Wäldern unterwegs, während meine Mutter panisch mit Allergietabletten an der Haustür wartete, als wäre ich ein Kriegsheimkehrer. Klar, die Reaktion meines Körpers war nervig, aber mehr eben auch nicht. Ich hatte mich daran gewöhnt, die Hälfte des Jahres mit Rotznase und juckendem Gesicht herumzulaufen und hatte wenig Interesse daran, ständig irgendwelche Medikamente zu nehmen. Das änderte sich nicht mal, als klar wurde, dass ich zusätzlich noch Kreuzallergien entwickelt hatte.

Kreuzallergien

Kreuzallergien treten auf, wenn der Körper sowieso gegen bestimmte Pollen allergisch ist und deren Strukturen in Lebensmitteln erkennt. Infolgedessen entwickelt er auch gegen diese Lebensmittel eine Allergie. Auf gut Deutsch: Mein Körper reagiert so über, wenn er irgendwo Pollen registriert, dass auch alles, was ihn daran erinnert, völlige Panik auslöst. In meinem Fall bedeutet das, dass meine Allergie gegen Frühblüher wie Hasel oder Birke dafür gesorgt hat, dass ich allergisch auf z.B. Äpfel, Haselnüsse oder Pfirsiche reagiere. Glücklicherweise nicht so stark, dass mich ein „Kann Spuren von Nüssen enthalten“ ins Krankenhaus bringen würde, aber definitiv so stark, dass es unangenehm ist.

Als ich zu Beginn der Pubertät anfing, im Hochsommer einen derart starken Husten zu bekommen (ich denke das ausschlaggebende Kriterium war damals, dass meine Eltern so nicht mehr schlafen konnten), schleppte mich meine Mutter zum Arzt. Die Diagnose: Allergisches Asthma. Das bedeutet: Wenn mein Körper wieder im Modus Pollenallergie ist, verkrampfen sich meine Atemwege. Ich huste dann so lange, bis meine Lunge der Meinung ist, dass sich dort keine Pollen mehr befinden. Von allein passiert das selten, ein Asthmaspray hilft aber die Verkrampfung zu lösen.

Tipp: Je länger du deine Pollenallergie bzw. den Heuschnupfen nicht behandelst, desto höher ist das Risiko, dass sich dein Allergiespektrum ausweitet, du also z.B. auch noch Kreuzallergien bekommst. Außerdem steigt dein Risiko für Asthma. Experten raten deshalb dazu, möglichst früh mit einer Therapie zu beginnen. Wenn du also am Überlegen bist: Das ist dein Zeichen!

Frau nimmt Tabletten aus Blister, um Heuschnupfen zu bekämpfen
Rosa Spritzen sollen in Form der Hyposensibilisierung bei Heuschnupfen Abhilfe verschaffen
Frau verkriecht sich in Bett, weil Heuschnupfen-Symptome zu stark sind
Blüten und Blumen auf Teller verbildlichen die Kreuzallergien, die der Heuschnupfen auslösen kann

Hyposensibilisierung - Die Lösung aller Probleme?

Ab diesem Zeitpunkt war selbst mir klar: Der Spaß wird von alleine nicht besser. Und da ich wenig Lust darauf hatte, an zweihundert Tagen im Jahr Allergietabletten zu schlucken, entschieden wir uns für die einzige Möglichkeit, die Ursache meines Heuschnupfens zu bekämpfen: eine Hyposensibilisierung.

Was ist eine Hyposensibilisierung?

  • Alternativ auch: Desensibilisierung oder spezifische Immuntherapie
  • Dauer: meist ca. 3 Jahre
  • Bekämpft die Ursache der Allergie
  • Geeignet für z.B. Pollen, Hausstaubmilben oder Insektengift
  • Wirkt wie eine Impfung gegen Allergene
  • Gewöhnt den Körper an genau die (eigentlich harmlosen) Allergene, auf die man reagiert
  • Erfolgt entweder in Form von regelmäßigen Spritzen in den Oberarm oder als Tabletten oder Lösung, die man oral einnimmt

Um mit der Behandlung zu beginnen, musste zunächst geklärt werden, gegen welche Stoffe ich eigentlich allergisch bin. Das Ergebnis: Knapp 95 % der Allergene, auf die ich getestet wurde, riefen eine Reaktion hervor. Wow. Dafür, dass ich eines der Kinder hätte sein sollen, die dreimal täglich panisch den Inhalator aus dem Schulrucksack ziehen, war ich noch ganz gut weggekommen.

Nach dieser Erkenntnis ging es los. Erstmal jede Woche jeweils eine Spritze in jeden Oberarm, dann jeden Monat. Drei Jahre lang. Sicher keine Arzttermine, auf die man als 14-Jährige tagelang hinfiebert, aber welche, die sich wirklich lohnen. Die Wirksamkeit einer Desensibilisierung bei Heuschupfen ist gut belegt. Die Therapie vermindert nachweislich die Beschwerden und sorgt dafür, dass weniger Medikamenten genommen werden müssen. Manche Patienten werden vollständig geheilt. Außerdem reduziert sie das Risiko, weitere Allergien oder eben Asthma zu entwickeln.

Normalerweise.

Was genau bei mir schiefgelaufen ist, lässt sich im Nachhinein schlecht sagen. Vielleicht war es die Menge an Allergien, unter denen ich zu diesem Zeitpunkt schon gelitten habe, vielleicht stimmte etwas mit den Diagnosen nicht und das Präparat war nicht perfekt angepasst. Gut möglich ist aber auch, dass die Desensibilisierung eine Verschlimmerung meiner Heuschnupfen-Symptome verhindert hat. Denn für einige Jahre hat sich nicht viel verändert.

Private KrankenversicherungDie Therapie von Allergien kann kompliziert und langwierig sein. Aber sie lohnt sich! Deshalb ist es wichtig, den richtigen Partner an seiner Seite zu haben.

Heuschnupfen ist mehr als nur Rotznase

Und damit sind wir wieder in der Gegenwart – grob. Genauer gesagt zehn Jahre weiter, im Februar 2021, beim Beginn dieses Artikels. Drei Wochen lang durfte ich diese Anekdote jede Nacht wiedererleben. Tagsüber war es nicht besser. Nach ein paar Tagen schon waren meine Bronchien vom Asthma so gereizt, dass ich jegliche Art von Memes vermeiden musste, weil jedes intensiveres Aufschnaufen einen Hustenanfall ausgelöst hätte. Ich hatte starke Gliederschmerzen und war durchgängig erschöpft. Zeitweise hatte ich kaum Kraft, meinen Hintern zum Kühlschrank zu bewegen. Wie durch ein Wunder lief mir konsequent die Nase, während meine Nebenhöhlen gleichzeitig so zu waren, dass der Druck in meinem Kopf sich anfühlte wie hohes Fieber. Dazu kam, dass mein Körper vom Schlüsselbein aufwärts, innen und außen so juckte, als hätte man einen aufgeschnittenen Apfel über meine Haut gerieben.

Tipp: Allergie-Symptome können ganz unterschiedlich aussehen. Häufig musst du deinen Körper erst richtig kennen lernen, um sie zu verstehen. Dabei können dich Apps wie klarify (Apple I Android) unterstützen. Mit ihnen kannst du z.B. die Symptome deines Heuschnupfens tracken und bekommst Infos zum aktuellen Pollenflug.

Tipps von Allergikern für Allergiker

So schlimm und vor allem so lange hatte ich noch nie unter meinem Heuschnupfen gelitten. Ja, in den letzten drei Jahren gab es immer mal wieder einen Tag, den ich auf der Couch verbringen musste – aber das war kein Vergleich. In diesen drei Wochen war ich neun Mal bei unterschiedlichen Ärzten. Zum einen, weil meine Medikamente nicht mehr richtig gewirkt hatten, zum anderen, weil mein Immunsystem so überfordert war, dass es seinen Job nicht mehr ordentlich machte. Infolgedessen litt ich nun zusätzlich unter einer Mandel- und Blasenentzündung.

Trotzdem gibt es einige Tipps, die mir in dieser Zeit das Schlimmste erspart haben. Tipps von eingefleischten Allergikern wie meiner Mutter, den Ärzten, die ich in den letzten zehn Jahren kennen gelernt habe und erprobte Tricks aus dem Internet.

  • Wenn du weißt, worauf du besonders allergisch reagierst: Checke die Pollenflug-Vorhersage, damit du vorbereitet bist.
  • Wenn nicht: Gehe zum Arzt, sprich deine Beschwerden an und lass dich testen!
  • Time die Einnahme deiner Antiallergika richtig. Nicht alle Mittel wirken bei jedem gleich stark und gleich lang. Die meisten Ärzte werden dir empfehlen, deine Medikamente abends zu nehmen. Wenn du merkst, dass das für dich nicht funktioniert, rede mit ihnen darüber.
  • Wasche deine Haare so oft wie möglich – am besten, nachdem du von draußen kommst oder kurz bevor du schlafen gehst. So trägst du die Pollen von draußen nicht in deine Wohnung oder dein Bett.
  • Spüle deine Nase regelmäßig mit einer Salzwasser-Nasendusche aus. Auch so wirst du Pollen los. Außerdem befeuchtest du deine Naseschleimhaut und hilfst ihr, sich vom ständigen Naseputzen zu erholen.
  • Versuche deine Wohnung so pollenfrei wie möglich zu halten. Das heißt: Bettwäsche regelmäßig waschen, Vorhänge genauso, überdurchschnittlich oft Staubsaugen und -wischen. Und auch wenn es mufft: nicht lüften!
  • Trage eine Maske. Besonders medizinische und FFP-2-Masken halten Pollen laut Experten relativ zuverlässig ab. Deine Augen kannst du durch eine Brille zumindest zum Teil schützen. Beides macht natürlich hauptsächlich draußen Sinn. Falls du, wie meine Wenigkeit, in einem zugigen Altbau wohnst, kann dir eine Maske aber auch drinnen gegen die unfreiwillige Frischluft helfen. Und übrigens: Auch wenn man sich absolut bescheuert vorkommt, schlafen mit Maske geht tatsächlich auch.
  • Suche dir einen Arzt, dem du vertraust. Wenn du das Gefühl hast, nicht ernst genommen zu werden: Wechsle einfach oder hole dir zumindest eine Zweitmeinung ein. Leider ist manchen Ärzten bis heute nicht bewusst, wie schwer und belastend Heuschnupfen-Symptome wirklich sein können. Lass dich davon nicht verunsichern!
  • Wenn du merkst, dass deine Medikamente nicht mehr richtig oder lange genug wirken: Nimm auf keinen Fall mehr, sondern sprich mit deinem Arzt.
  • Informiere dich darüber, ob eine Hyposensibilisierung eine Option für dich ist. Letzten Endes ist das die einzige Möglichkeit, das Problem langfristig zu lösen.

Heuschnupfen und Klimawandel

Mittlerweile habe ich die Hasel- und Birken-Saison hinter mich gebracht. Spannend bleibt es trotzdem. Auch deshalb, weil die Vorhersagen für die nächsten Jahre nicht gerade rosig aussehen. Studien zeigen, dass die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen die Blütezeit vieler Pflanzen verlängern. Heuschnupfen-Allergiker dürfen in den nächsten Jahren also zunehmend länger leiden. Zusätzlich siedeln sich neue Gewächse bei uns an, die ebenfalls das Potential haben, unsere Immunsysteme zu überfordern. Die Pflanzen scheinen aufgrund der erhöhten CO2 -Konzentration in der Atmosphäre mehr Pollen zu produzieren. Laut dem Allergieinformationsdienst ist „ein weiterer Anstieg [von allergischen Atemwegserkrankungen] sowie ein zunehmender Schweregrad der Erkrankungen zu erwarten“. Für mich bedeutet das: Es wird definitiv Zeit für die zweite Hyposensibilisierung.

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