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True Crime: Von vergrabenen Trophäen und toten Ehemännern

„Guten Abend meine Damen und Herren. Heute geht es um Mord.“ Wenn diese Worte in der seit 1967 bestehenden Fahndungssendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ fallen, durchfährt ein Schauer Deutschlands Wohnzimmer. Schon längst kennen wir die blutrünstigen Taten, großen Justizirrtümer und irren Serienkiller nicht mehr nur aus Hollywood oder dem Tatort. True Crime Geschichten finden wir im Reich der Medien mittlerweile zur Genüge. Und doch werden uns immer die Fälle am nächsten gehen, die sich direkt vor unserer Haustür abspielen. Die Faszination und das flaue Gefühl im Magen, das sich einschleicht, wenn wir uns die Tat vorstellen – beides steigert sich, wenn Verbrechen real werden, weil wir die Orte des Geschehens kennen.

Lisa Vogt Redakteurin JetztLosleben VGH
von Lisa Berendes24 Januar, 2022

Wir stellen heute drei True Crime Fälle vor, die sehr real sind. Alle drei konnten erst Jahrzehnte später aufgeklärt werden, alle drei haben sich in Niedersachsen und Bremen zugetragen – und Deutschland in Atmen gehalten.

Polizeiliche Versäumnisse und das A-Team

Das Verschwinden der Birgit Meier

Lüneburg, 12. Juli 1989. Im Staatsforst Göhrde werden die bereits stark verwesten Körper des erschossenen Ehepaares Ursula und Peter R. aus Hamburg-Bergedorf gefunden. Noch am selben Tag, 800 Meter vom Fundort entfernt, wird einem zweiten Paar auf kaltblütige Art und Weise das Leben genommen. Die „Göhrde-Morde“ erschüttern die Region, die Polizei mobilisiert all ihre Kräfte, um die Doppelmorde aufzuklären. 

Nur einen Monat später wird Birgit Meier als vermisst gemeldet, ihr Verschwinden geht angesichts der ungeklärten Mordfälle unter. Birgit ist 41 Jahre alt, als ihre Tochter ihre Abwesenheit bemerkt und die Polizei informiert. Am Abend zuvor hatte sie mit ihrem Noch-Ehemann Harald Meier über die Einzelheiten ihrer Scheidung gesprochen. Die Trennung habe sie mitgenommen, erzählen Bekannte. Der Unternehmer habe zu diesem Zeitpunkt bereits eine neue Partnerin gehabt, während sie noch immer an der Beziehung hing. In den Monaten zuvor habe sie begonnen, mehr oder minder regelmäßig zu trinken. Das Treffen am Vorabend ihres Verschwindens sei jedoch ruhig verlaufen, bestätigen Ehemann wie auch Tochter, mit der sie im Anschluss noch telefoniert hatte. Am nächsten Morgen ist von Birgit Meier keine Spur mehr zu finden. In der Nacht hatten Zeugen noch das Geräusch eines laufenden Automotors gehört. Ermittler bemerken eine offene Terrassentür sowie einen Fußabdruck im Blumenkasten an der Schlafzimmertür. Unter dem Bett finden sie zudem ein Taschentuch – im Aschenbecher eine zweite, unbekannte Marke Zigaretten. Trotz Drängen ihres Bruders, Wolfgang Sielaff, dem damaligen Leiter des Landeskriminalamtes Hamburg, verlaufen die Ermittlungen der Lüneburger Beamten jedoch im Sande.

Ein neuer Verdächtiger

Vier Jahre später ist ein Friedhofsgärtner auf der Flucht. Kurt-Werner Wichmann habe Birgit Meier laut Bekannten bei Feierlichkeiten von Nachbarn und Freunden kennengelernt – sie einmal sogar nach Hause ins Bett gebracht, als sie zu viel getrunken hatte.

Und er hat eine bemerkenswerte Strafakte: Vergewaltigung, versuchte Tötung und weitere schwere Delikte. Trotzdem war er in den vergangenen dreieinhalb Jahren nie in den Fokus der Ermittler geraten, die sich im Grunde gegen ein Gewaltverbrechen, jedoch maximal für eine Beteiligung des Ehemanns an Birgit Meiers Verschwinden aussprachen. Bis Klaus Werner, damaliger Kriminalhauptkommissar der Polizei Lüneburg, den Fall übernimmt. Er kommt ins Grübeln: Dass es zu einer Straftat gekommen ist, liegt für ihn auf der Hand. Doch Harald Meier hat in seinen Augen nur ein sehr dünnes Motiv: Die Zahlung, die er mit der Vermissten zwecks Scheidung ausgemacht hat, hatte er fast in Gänze zuvor als Lohnsteuerrückerstattung erhalten. Finanzielle Beweggründe schließt der Ermittler deshalb aus. Er wird auf den polizeibekannten Wichmann aufmerksam und setzt im Alleingang bei Staatsanwaltschaft und Gericht einen Durchsuchungsbefehl durch. Als das Haus Adendorf auf dem Kopf gestellt werden soll, ist nur Wichmanns Frau anzutreffen. Anstatt auf seine Rückkehr zu warten, kontaktieren die Beamten den Verdächtigen per Telefon. Er sichert zu, umgehend nach Hause zurückzukehren – und flieht.

Das geheime Zimmer

Die Polizei entdeckt unterdessen im Haus eine verschlossene Tür. Was sich dahinter befindet, werden die Beamten zukünftig als „das geheime Zimmer“ bezeichnen. Sie finden dort: verschiedene Feuerwaffen, Munition, Schalldämpfer, Messer, Fesselungsmaterial, Spritzbesteck, Betäubungsmittel und eine Schießweste mit blutbehafteten Handschellen. Daraufhin wird Wichmann zwar zur Fahndung ausgeschrieben, soll aber laut Befehl nicht festgesetzt werden.

Die Polizei erhofft sich, so beobachten zu könnte, wo und mit wem er unterwegs ist – sorgt aber durch ihr Vorgehen dafür, dass der Verdächtige, der in einem von ihm selbst als gestohlen gemeldeten Mercedes unterwegs ist, trotz einer Polizeikontrolle einer Verhaftung entgehen kann. Während seiner Flucht verbringt Wichmann immer wieder Zeit zu Hause, lässt Birgits Bruder ausrichten, dass er nichts mit ihrem Verschwinden zu tun habe und droht ihrem Ehemann. Am 9. Tag seiner Flucht entdeckt die Polizei ein weiteres, auf ihn angemeldetes Fahrzeug, in dem sich allerlei Straßenkarten, Proviant sowie Ausspähinstrumente befinden. Eine Tatortgruppe des LKAs durchsucht daraufhin erneut Wichmanns Haus sowie das umliegende Gelände und findet, tief im Garten vergraben: einen roten Sportwagen. Leichenspürhunde schlagen am Kofferraum des Autos an, der ist jedoch leer. Auf der Rückbank entdeckt das Team Blutanhaftungen. Trotzdem passiert zunächst nichts.

Ein Zufall und ein Rückschritt

Erst am 50. Tag seiner Flucht wird Wichmann in Untersuchungshaft genommen – nachdem er einen Verkehrsunfall verursachte und in diesem Zuge eine auseinandergebaute Maschinenpistole, 100 Schuss Munition und geraume Mengen Bargeld und Schecks in seinem Auto gefunden wurden.

Er wird in die Justizvollzugsanstalt Heimsheim in Baden-Württemberg verlegt. Wenige Tage später nimmt sich Wichmann dort das Leben. Er hinterlässt seiner Frau einen Abschiedsbrief voller versteckter Hinweise, die Akte wird geschlossen: Gegen Tote wird nicht ermittelt, so will es das Gesetz in Deutschland.

LKA-Chef Wolfgang Sielaff, der Bruder der vermissten Birgit Meier, ist frustriert. Nachdem er über Jahre die Lüneburger Beamten erfolglos auf Fehler, offene Fragen und Widersprüche im Fall seiner Schwester aufmerksam gemacht hat, werden nun alle Asservate vernichtet. Dass die zahlreichen Funde sowie die Zeugenaussagen zu einem laufenden Motor in der Nacht des Verbrechens dafürsprechen, dass Birgit kein Einzelopfer war und der Täter vielleicht nicht im Alleingang handelte, scheint ohne Bedeutung.

Das A-Team

13 Jahre nach dem Verschwinden seiner Schwester nimmt Wolfgang Sielaff die Ermittlungen selbst in die Hand. Der frisch-pensionierte Leiter des Landeskriminalamtes Hamburg, der als einer der erfolgreichsten Polizisten seiner Zeit gilt, schart ein multidisziplinäres Team um sich: einen erfahrenen Kriminalisten, eine Polizeipsychologin und einen Rechtsanwalt.

Sie beantragen Akteneinsicht, rollen den Fall gemeinsam wieder auf – und stoßen auf die Beweise aus der Tatnacht, denen die Lüneburger Beamten keine Aufmerksamkeit gewidmet hatten. Warum war die Terrassentür offen, von wem stammt der Fußabdruck? Wurde das Taschentuch benutzt, um Birgit Meier zu betäuben? Wer hat im Wohnzimmer geraucht? Das Team baut Druck auf, entwickelt neue Ansätze und erwirkt die Gründung zweier neuer Ermittlungsgruppen: Die EG Iterum konzentriert sich auf die Klärung dieser offenen Fragen, die EG Göhrde vertieft die Ermittlungen im Fall der Doppelmorde erneut.

Neue Erkenntnisse

Nach 9 Monaten findet sich in der Rechtsmedizin Hannover die blutige Handschelle aus Wichmanns geheimen Zimmer – sie wurde bei der Vernichtung der Asservate übersehen.

Eine DNA-Analyse ergibt: Das Blut stammt von Birgit Meier. Auch die EG Göhrde macht Fortschritte: Die Autos der Opfer wurden nach der Tat noch bewegt und es findet sich bei den gesicherten Faserspuren der Autositze DNA von Kurt-Werner Wichmann. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er bei den Doppelmorden also mindestens beteiligt, wenn nicht sogar Täter.

Die EG Iterum ist zufrieden, sie will den Fall Birgit Meier als Mord ohne Leiche zu den Akten legen. Das Team um Wolfgang Sielaff gibt jedoch nicht auf. Sie veranlassen das Aufmeißeln einer KFZ-Grube in Wichmanns Garage – und finden in einem verborgenen Hohlraum menschliche Knochen.

Ein Fass ohne Boden

Am 29. Juli 2017, 18 Jahre nach ihrem Verschwinden, hat ihre Familie Gewissheit:

Birgit Meier wurde von Kurt-Werner Wichmann entführt, für unbestimmte Zeit in seinem geheimen Zimmer festgehalten und schließlich durch einen Kopfschuss getötet.

Die Polizei initiiert daraufhin eine groß angelegte Aktion, bei der das gesamte Gelände rund um Wichmanns Haus durchforstet und umgegraben wird. Rund 400 Asservate, darunter zahlreiche Handtaschen, Portemonnaies und andere persönliche Gegenstände unbekannter Personen, werden dabei gesichert.

Sielaffs Team ist sich sicher: Wichmann hat weitere Verbrechen, vermutlich auch Morde, begangen und die Trophäen in seinem Garten vergraben – und ist bei den „Göhrde-Morden“ nicht allein gewesen. Da Wichmann die Autos der Opfer aus dem Waldgebiet herausgefahren hat, müsse er auch irgendwie dorthin gekommen sein. Konkrete Hinweise lassen einen Mann als Mitwisser besonders verdächtig erscheinen. Doch er verweigert die Aussage. Wen genau die Ermittler im Visier haben, können die Beamten nicht öffentlich preisgeben. Sie haben es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, ihn auch ohne sein Zutun zu überführen.

Offiziell werden Kurt-Werner Wichmann bis heute die vier „Göhrde-Morde“ sowie der Tod von Birgit Meier zugeschrieben. Übrig bleiben Hunderte Spuren weiterer Verbrechen, ein anonymer Mitwisser und ein Täter, der nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann.

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Fünf Ehemänner und ein minderintelligenter Komplize

Die schwarze Witwe von Bodenfelde

Lydia L. wird in gewalttätigen Familienverhältnissen groß, mit Anfang zwanzig versucht sie sich, gefangen in einer unglücklichen Beziehung, zum ersten Mal das Leben zu nehmen.

Anfang der 60er-Jahre lernt sie den Vater ihres ersten Sohnes kennen. Nach weniger als einem Jahr Ehe trennt sie sich wieder, auch ihre nächsten Beziehungen sind von kurzer Dauer – sie verschweigt den Männern, dass sie die geschiedene Mutter eines Sohnes ist. 1970, mit Anfang dreißig, übernimmt Lydia eine Kneipe in der Nähe von Hannover, in der sie ihren zweiten Ehemann kennenlernt: einen brutalen Mann, der sie so häufig körperlich und psychisch missbraucht, dass sie sich schon nach wenigen Monaten erneut das Leben nehmen will und mehrfach flieht. Aus dieser Ehe geht ihr zweiter Sohn hervor. Sieben Jahre dauert es, bevor Lydia ihren Mann endgültig verlässt.

Einige Zeit spart sie, 1981 eröffnet Lydia L. die „Rubin-Bar“ in Celle: eine Mischung aus Kneipe und Porno-Kino. Zwei Jahre später besitzt sie zwei weitere Bars, eine im Nachbarort, eine bei Uslar. In einem der zwei Wohnwagen vor der Bar bietet Lydia L. ihren Körper an. 

Wann genau der Zeitpunkt gekommen war, an dem sie entschied, nicht länger Opfer zu sein, weiß man bis heute nicht. Klar ist: Lydia begibt sich Anfang der 80er auf die Jagd nach älteren, wohlhabenden Männern. Sie ist zu diesem Zeitpunkt knapp vierzig, die Herren über achtzig. Einer von ihnen zieht zu ihr über die Porno-Kneipe und zahlt ihr zwei Jahre lang Taschengeld. Schließlich setzt er sie als Alleinerbin ein, überschreibt ihr elf Grundstücke – und stirbt zwei Monate später. Warum sich sein Gesundheitszustand so schnell so stark verschlechtert hat, weiß niemand. Ermittlungen zu seiner Todesursache werden eingestellt.

Etwa zu diesem Zeitpunkt lernt Lydia Siggi S. kennen, einen – später als weit unterdurchschnittlich intelligent diagnostizierten – jungen Mann, der ebenfalls zum Rande der Gesellschaft gehört. Er ist ein Heimkind, hatte es im Leben nie leicht und sehnt sich nach Zuneigung und zwischenmenschlichen Beziehungen. Die findet er in den familienähnlichen Verhältnissen bei Lydia L. und ihren Söhnen. Siggi zieht zu ihr und kümmert sich als Mädchen für alles um Haus und Garten – denn von ihrem ersten Erbe hat sich Lydia zwei Häuser auf einem Grundstück in Bodenfelde gekauft.

Bis ins Jahr 2000 werden sechs weitere Männer, die Lydia zu Lebzeiten beschenkten und ihr hörig waren, verschwinden oder auf unerklärliche und plötzliche Weise sterben. Mehrfach schöpfen die Familien, die um ihr Erbe gebracht wurden, Verdacht und alarmieren die Polizei – doch die Ermittlungen gegen Lydia L. verlaufen im Sande. Auch dass Lydia mit einer gefälschten Unterschrift die Rente eines Verschwundenen auf ihr Konto umleitet, erregt keine Aufmerksamkeit.

Am 27. August 2007 dann eine unerwartete Wendung: Siggi S. soll auf dem Polizeirevier Bodenfelde eine Aussage in einem Nachbarschaftsstreit machen, in den Lydia L. verwickelt ist. Stattdessen gesteht er. Es ist das Ende einer Beziehung, die durch eine pathologische Abhängigkeit am Laufen gehalten wurde – und die für Siggi S. schwerwiegende Konsequenzen hat. Mehr als ein Dutzend Männer habe Lydia L. zwischen Anfang der 80er bis in die 2000er via Kontaktanzeigen, in der sie ihre Dienste in der Altenpflege anbot, an sich gebunden und finanziell ausgenommen – insgesamt sollen es fast 700.000 Euro gewesen sein. Die Meisten wohnten zeitweise in ihrem Haus in Bodenfelde, zwei heiratete sie sogar.

Während ihrer Zeit bei Lydia werden die Männer mit starken Medikamenten – meist in die Erbsensuppe gemischt – ruhiggestellt. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich. Wer sich wehrt oder nach Hilfe von außen sucht, landet auf ihrer Abschussliste. Dann verabreicht sie ihren Opfern eine noch höhere Dosis Beruhigungsmittel, sediert sie bis fast zur völligen Bewusstlosigkeit und fordert Siggi auf, den Rest zu erledigen. Den Rest, das bedeutet: Er soll die wehrlosen Herren erdrosseln oder ersticken. Zwei von ihnen muss er anschließend im Wohnwagen abtransportieren und anzünden, einen in seinem eigenen Garten vergraben. Ein dritter Ehemann Lydias kommt sechs Monate nach der Hochzeit bei einem Wohnungsraub um. Ob sie auch hier ihre Finger im Spiel hatte, ist unklar. Ihr vierter Ehemann zeigt sie an: Sie habe ihn eingesperrt und vergiften wollen. Das Verfahren wird eingestellt.

Doch während die Polizei über Jahre Auffälligkeiten und Hinweise von außen vernachlässigt, begeht Lydia L. einen folgenschweren Fehler. Sie zwingt den von ihr abhängigen Siggi nicht nur zu morden, sondern beginnt, anderweitig ihre Machtposition ihm gegenüber auszunutzen: Irgendwann erniedrigt und beleidigt sie ihn täglich – über zwanzig Jahre hinweg.

Vier Morde gesteht Siggi S. im August 2007, für jeden davon wird Lydia L. lebenslänglich ins Gefängnis gehen. Für den Tod zweier weiterer Männer, die während oder kurz nach ihrer Zeit bei ihr sterben, wird sie nicht zur Verantwortung gezogen.

Warum Siggi zu diesem Zeitpunkt reinen Tisch macht, darüber rätseln True Crime Fans noch heute. Er sei es leid gewesen, sagte er in der Vernehmung nur. Jetzt, nach all den Jahren, sei endlich Ruhe in seinem Kopf.

Schreie am Bahnhof Oslebshausen und die DNA einer Schwester

Der Fall Carmen Kampa

Gerade mal siebzehn ist Carmen Kampa, als sie am Bahnhof Bremen-Oslebshausen vergewaltigt und ermordet wird. Sie kommt gerade vom Tanzen im „Miramichi“. Drei Tage lang liegt ihre Leiche auf einem Brachgrundstück hundert Meter vom Bahndamm entfernt, bis die Polizei sie findet. Ein Schock, besonders für einen jungen Mann, der sie in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 1971 das letzte Mal lebend an eben diesem Bahndamm sah – und hörte.

Als sein Zug an besagtem Abend in Bremen-Oslebshausen einfährt, hört er Schreie und kann kurz ein Kampfgeschehen erkennen, bevor sich der Zug wieder in Bewegung setzt. Er und ein weiterer Fahrgast informieren den Schaffner, der alarmiert an der nächsten Station die Polizei. Als sie ankommt, ist der Bahndamm leer.

Als Carmen Kampa wenige Tage später, erwürgt und mit Messerstichen in der Brust, gefunden wird, tappt die Polizei im Dunkeln – trotz zahlreicher Zeugenaussagen und über tausend Spuren, die die Schreie in der Tatnacht und die Geschehnisse danach dokumentieren. Zweieinhalb Jahre später nimmt sie den Bauarbeiter Otto B. fest. Er ist homosexuell, zahlreiche Beweise sprechen gegen ihn als Täter – verurteilt wird er trotzdem. Nur ein Formfehler, der bei der Revision des Falles auffällt, verhindert, dass Otto B. für zwölf Jahre unschuldig im Gefängnis sitzt. Der Urteilsspruch wird daraufhin aufgehoben.

Im zweiten Prozess liefert Otto B.s Anwalt Heinrich Hannover einen neuen Täter: Helmut H. Der polizeibekannte Frauenheld hatte in der Tatnacht im „Miramichi“ mit Carmen Kampa gesprochen. Verschiedenen Zeugen zufolge soll Helmut H. ihnen gegenüber den Mord gestanden haben, bei den Ermittlungsbehörden bestreitet er ihn. Hannover schafft es dank der „Spurenakte 59“, die weitere Indizien gegen Helmut H. enthält, einen Freispruch für seinen Mandanten Otto B. zu erwirken. Dann passiert 40 Jahre lang nichts, der Fall Carmen Kampa wird zum Cold Case.

Erst Ende April 2011 greift die Bremer Staatsanwaltschaft das bis dato ungelöste Verbrechen in einer groß angelegten Aktion wieder auf: Bei ähnlichen Lichtverhältnissen und Wetterbedingungen wird das Szenario der Tatnacht nachgespielt, inklusive Zugeinfahrt und Überquerung der geschotterten Gleise. Alle Akten werden erneut gesichtet, eine Haarprobe auf DNA-Merkmale überprüft. Das Ergebnis: Die bereits zu Beginn der Ermittlungen angelegte „Spurenakte 135“ verweist auf den Bremer Wachmann Hermann R. Er hätte zum Zeitpunkt der Tat eine Kontrolluhr bei einer Firma am Bahndamm stechen müssen, was er über die gesamte Nacht vom 1. auf den 2. Mai 1971 nicht getan hatte. Außerdem fanden die Beamten ein Stofftaschentuch am Bahndamm, das von R.s Ehefrau als das seine identifiziert wurde. Jahrzehnte nach der Tat konnten die Ermittler schließlich das Alibi des Wachmanns widerlegen. Eine freiwillig abgegebene Speichelprobe der Schwester des Verdächtigen bestätigt: Die Haare am Tatort stammen von Hermann R. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er für den Tod der 17-jährigen Carmen Kampa verantwortlich. Die Erkenntnis kommt zu spät, R. kann nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden – er war bereits im Jahr 2003 verstorben.

Die Faszination, die von lange ungelösten und mysteriösen Kriminalfällen wie dem von Carmen Kampa ausgeht, lässt dich noch nicht los? Dann hör in den Weserkurier-Podcast „VERBRECHEN: Fälle, die die Region bewegen“ rein. Dort wandeln die Redakteure und Redakteurinnen auf den Spuren ihrer damaligen Kollegen und sprechen gemeinsam über diesen und weitere Meilensteine der niedersächsischen und Bremer Kriminalgeschichte.

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