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Reiten: 10 klassische Klischees übers Reiten

„Das Leben ist kein Ponyhof“: eigentlich ein ganz lustiger Spruch. Dahinter steckt aber auch die Vorstellung, dass auf einem Ponyhof alles niedlich, weltfremd und problemlos läuft. Für die meisten Menschen trifft dieses rosarote Wendy-Klischee insgesamt auf den Pferdesport zu. Überhaupt: das Pferdemädchen. Es gibt wohl kaum ein Abziehbild, das so ausgereizt wird wie dieses. Pferdemädchen tragen natürlich immer Pferdeschwanz und teilen sich die Leckerlis mit ihren Pferden. Sie sitzen im Sattel, um sich von Vierbeinern mit geflochtener Mähne durch die Gegend tragen zu lassen, weil ihnen laufen zu anstrengend ist. Und wenn ein Junge reitet, ist er in Wirklichkeit auch ein Pferdemädchen. Reiterinnen und Reiter müssen sich mit ganz schön vielen Vorurteilen herumschlagen. Wir haben hier einmal die 10 häufigsten Klischees übers Reiten zusammengetragen und zeigen euch, wie ihr sie im Nu entkräftet – oder ihnen einfach mit einem souveränen Augenzwinkern begegnet.

Lisa Vogt Redakteurin JetztLosleben VGH
von Lisa Berendes29 Juni, 2022

1 Reiten? Ist doch kein Sport

Okay, reiten ist nicht so schweißtreibend wie Crosstraining oder ein Ironman. Aber warum sollte es das auch sein? Es ist trotzdem ein anspruchsvoller Sport. Das merkt jeder Fußballer sofort am Muskelkater in der Innenseite der Oberschenkel, wenn er mal ein Stündchen im Sattel verbracht hat. Um die Bewegungen des Pferdes auszugleichen und das Gleichgewicht zu halten, ist ein nämlich ein ständiger Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung gefragt. Dabei werden vor allem Rücken-, Bauch-, Ober- und Unterschenkelmuskulatur beansprucht. Beim Traben und Galoppieren wird zudem die Gesäßmuskulatur trainiert. Die Muskulatur an Armen und Schultern ist ebenfalls im Einsatz und schon wird deutlich, warum das Reiten auch als Ganzkörper-Workout bezeichnet wird. Durch den rhythmischen Spannungswechsel ist das Reiten auch sehr gut für therapeutische Zwecke geeignet, beispielsweise um Verspannungen zu lösen. Der Grad der Anstrengung hängt wie beim Laufen selbstverständlich vom Tempo, dem Reitstil und dem Körpergewicht ab. In einer Studie wurde als Faustregel berechnet, dass bei 30 Minuten im Sattel 200 Kalorien verbraucht werden. Das ist etwa so viel wie beim Badminton, beim Inline-Skaten oder beim langsamen Joggen.

2 Reiten? Ist doch nur was für reiche Schnösel

Zugegeben, die Kluft der Turnierreiter ist gewöhnungsbedürftig und kann ganz schön posh rüberkommen. Ein Frack zu engen weißen Stretchhosen: nicht grade ein Outfit für Underdogs. Auch ein eigenes Pferd können sich nur Menschen mit großem Bankkonto leisten. Aber wer reiten möchte, braucht kein eigenes Pferd zu besitzen. Die Seglerin braucht schließlich auch nicht gleich eine eigene Luxusjacht, um in See zu stechen. Im Pferdesportverband Hannover haben sich 690 Reitsportvereine zwischen Cuxhaven und Göttingen sowie Hannover und Celle zusammengeschlossen. Du findest auf jeden Fall einen in deiner Nähe. Hier können Anfängerinnen und Anfänger für € 15 bis € 35 pro Stunde Reitunterricht nehmen. Die Ausrüstung kostet ab € 150, wenn du alles neu kaufst. Aber das ist gar nicht nötig. Online oder in speziellen Secondhand-Shops kannst du Reithelm, -hose und -stiefel sehr viel günstiger gebraucht kaufen. Das Angebot ist mittlerweile riesig, insbesondere für Kinder. Die wachsen nämlich aus den Reitklamotten sehr viel schneller heraus, als sie sie abnutzen können. 

3 Wer reitet, ist ein Landei

Gummistiefel und Karohemd sind im Stall einfach praktischer als High Heels und Glitzertop und Heu in den Haaren ist auch nicht gerade urban, aber was soll’s? Es ist natürlich nicht so einfach, mitten in der Stadt regelmäßig Reitunterricht zu nehmen oder Turniere zu reiten. Kinder müssen, wenn sie in der Stadt wohnen, zum Reiten gefahren werden, denn die Ställe liegen oft jottwehdeh und sind schwer mit den Öffis zu erreichen. Familien, die auf dem Land leben, können sich den Traum vom Reiten sehr viel einfacher erfüllen. Das heißt aber nicht, dass Städter diesen Traum nicht haben. Das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde zu suchen, ist keinesfalls nur eine Utopie unterforderter Landeier. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens IPSOS aus dem Jahr 2019 gaben rund 11,2 Millionen Befragte an Interesse an Pferd und Pferdesport zu haben. Die Studie ermittelte auch die Zahl der tatsächlich aktiven Pferdesportlerinnen und Pferdesportler in Deutschland: 2,32 Millionen Menschen bezeichnen sich selbst als Reitende. Bleiben also rund 9 Millionen übrig, die ihr Interesse nicht ausleben und es ist davon auszugehen, dass nicht alle davon im ländlichen Raum leben. Da die Befragung nur Menschen über 14 Jahren berücksichtigt hat, sind all die Kinder, die sich Yakari guckend aus der Stadt in die Steppe wünschen, dabei noch gar nicht erfasst. Reiten ist potenziell also ein durchaus städtisches Hobby.

4 Wer reitet, kommt mit Pferden besser klar als mit Menschen

Logisch, ein Pferd widerspricht ja auch nicht so oft! Aber mal im Ernst: Wer reitet, nimmt einiges auf sich, um seiner Leidenschaft nachgehen zu können. Es reicht nicht, die Schuhe zu schnüren uns loszurennen. In allen Reitvereinen gehört es dazu, das Pferd zu putzen und zu satteln, bevor es losgeht. Im Winter und bei schlechtem Wetter ist das ein anstrengender und nicht immer sauberer Job. Aber Reiterinnen und Reiter tun das gern. Sie haben ein Hobby gefunden, dass sie erfüllt und das macht erst einmal glücklich. Ohne Frage ist es für zufriedene Menschen sehr viel einfacher, mit anderen auszukommen, als für unzufriedene Zeitgenossen. Und warum soll es im menschlichen Miteinander von Nachteil sein, wenn man in seinem Sport lernt, auf ein Tier einzugehen? Viele Experten sehen es als erwiesen an, dass Reiten die soziale Kompetenz schult, deshalb wird der Sport auch therapeutisch eingesetzt. Der enge Kontakt mit dem Tier erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Sensibilität für die Körpersprache der Pferde. Diese Fähigkeiten können Reitenden im Umgang mit anderen Menschen sehr zugute kommen. Ganz sicher sind sie kein Nachteil.

5 Reiten ist langweilig

Von außen betrachtet, kann das sogar stimmen, schließlich fallen beim Reiten keine spektakulären Tore und dramatische Zweikämpfe gibt es auch nicht. Wer jedoch aktiv dabei ist, begreift schnell, dass Reiten ist viel zu facettenreich ist, um langweilig sein zu können. Von Andalusier bis Zangersheider reicht das Spektrum der Pferderassen, es sind etwa 200. Selbstverständlich unterscheiden sich die Rassen erheblich und es fühlt sich komplett anders an, auf einem Isländer oder einem Hannoveraner zu reiten. Ganz abgesehen davon, dass nicht jede und jeder jedes Pferd reiten kann. Grundsätzlich werden im Pferdesport vier Sparten unterschieden: Reitsport, Fahrsport, Voltigieren und Bodenarbeit. Zum Fahrsport gehören Kutschen oder Anhänger, die vom Pferd gezogen werden. Unter Voltigieren versteht man artistische Übungen, einzeln oder in Gruppen auf dem Pferd. Bodenarbeit versammelt alle Sportarten mit Pferden, auf denen nicht geritten wird, beispielsweise wenn die Pferde an einer Longe durch eine Zirkusmanege geführt werden. Der Reitsport ist die bekannteste Disziplin im Pferdesport, es gibt davon elf verschiedene Arten vom Springreiten über das Westernreiten bis zu den Reiterspielen wie Polo oder Horseball. Besonders spannend im Reitsport ist, dass Frauen und Männer nicht getrennt antreten. Selbst in olympischen Disziplinen wie dem Dressurreiten wird nicht nach Geschlechtern getrennt. Die Goldmedaille kann sich sowohl eine Frau als auch ein Mann holen.

Spannung? Aber sicher!

No risk no fun: Zum breiten Spektrum des Reitens gehören auch riskante Sachen wie das Springen im Gelände oder wildes Galoppieren. Auf einem Quarter Horse können Reitende eine Geschwindigkeit von über 80 km/h erreichen – niemand, der nicht gerade als Django Unchained unterwegs und bei klarem Verstand ist, macht das ohne Helm und Sicherheitsweste. Um Risiken entspannter angehen zu können, ist es wichtig, dass die Reit-, Voltigier- oder Fahrschule der Wahl für die eingesetzten Ponys und Pferde eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, die auch das sogenannte Fremdreiterrisiko abdeckt. Einfach bei der Schule nachfragen, ob das geregelt ist. Wer im Reitverein reitet, ist über die Mitgliedschaft versichert, damit sind aber in der Regel nur Haftungsfragen abgedeckt. Da die gesetzliche Unfallversicherung nur bei Unfällen auf der Arbeit, in der Schule, in der Uni sowie auf den Hin- und Heimwegen einspringt und Freizeitunfälle nicht versichert sind, ist es empfehlenswert, als Reiterin oder Reiter eine zusätzliche private Unfallversicherung abzuschließen. Wer eine Reitbeteiligung eingeht oder ein eigenes Pferd besitzt, für den sind in Sachen Versicherungsschutz ganz spezielle Herausforderungen (Link auf Artikel „Reiten für Kinder“) zu beachten.

VGH UnfallschutzKlischees sind keine Hürde für dich?

6 Reiten ist Tierquälerei

Wenn etwas schiefläuft, richten sich alle Scheinwerfer darauf. So war es auch, als dem viermaligen Olympiasieger und Springreiter Ludger Beerbaum das verbotene Barren der Pferde auf seinem Reiterhof vorgeworfen wurde. Und das Barren ist zweifelsohne eine fiese Sache. dabei wird den Pferden mit Stangen an die Beine gehauen, um sie dazu zu bringen, die Füße beim Springen besser zu heben. Diese Technik wird von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), dem Dachverband der Züchter, Reiter, Fahrer und Voltigierer in Deutschland, zu Recht als Tierquälerei eingestuft. Doch seien wir ehrlich: Im Leistungssport geht es um viel Geld und es herrscht enormer Druck, gesund ist das nicht. Das ist im Fußball und in der Leichtathletik nicht anders als beim Reiten. Doch Leistungssport betreibt nur der kleinste Teil der Reitenden. Die meisten Aktiven in Deutschland reiten in ihrer Freizeit und versorgen die Pferde liebevoll. Die Frage, ob es an sich schon Tierquälerei ist, auf Pferden zu reiten, führt zu einer philosophischen Debatte. Das zu entscheiden ist etwa so kompliziert wie die Frage, ob es reicht, vegetarisch zu leben oder ob man vegan sein muss, wenn man sich umweltfreundlich ernähren möchte. Fest steht: Auch domestiziert, also mit Menschen lebende Pferde, brauchen viel Bewegung und Auslauf und wer reitet, sorgt genau dafür. Generell dürfte für den Pferdesport das gleiche gelten wie für den Teamsport unter Menschen: Überforderung und Stress sind belastend, von spielerischem Training profitieren alle.

7 Wer reitet, sitzt auch sonst auf dem hohen Ross

Mag ja vorkommen, dass Reitende sich was einbilden auf ihre schneeweißen Hosen. Aber wer einmal vom hohen Ross runtergefallen ist, weiß eben auch, wie es sich anfühlt, zu Boden zu gehen. Diese Lektion in Demut gehört zum Reiten wie die Matte zum Yoga. Wer sich für einen Überflieger hält, wird durch das Ausmisten des Stalls ebenfalls ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Mit abgesammelten Pferdeäpfeln und nassem Heu in der Hand, lässt sich schwer auf andere runterblicken. Ein feines Näschen wird ebenfalls nicht begeistert sein von diesem Job: Wenn Pferdekot und Urin sich zersetzen, entsteht nämlich Ammoniak, ein ganz schön beißender Geruch. Der Mist muss dann auch noch händisch weggekarrt werden. Diese Drecksarbeit gehört für Reitende und Pferdeliebhaber zum Alltag, da Pferde in der Regel alle zwei Stunden äppeln. Man wird also in enger Taktung daran erinnert, dass es wenig Gründe dafür gibt, sich anderen überlegen zu fühlen.

8 Wer reitet, stinkt nach Mist

Können sich die Leute an der Klischee-Front bitte mal entscheiden? Einerseits sollen Reiterinnen und Reiter arrogant und hochnäsig sein (siehe Punkt 7) und deshalb natürlich keine Lust haben, sich die Hände schmutzig zu machen. Gleichzeitig sollen sie aber den Geruch nach Stall nicht aus den Klamotten bekommen. Passt irgendwie nicht zusammen. Und es darf mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, dass auch Reitende wissen, was mit Waschpulver und einem Stück Seife anzufangen ist. Und wenn es doch mal schnell gehen musste nach der Stallarbeit? Dann kommt damit klar, Leute, das ist schließlich der Duft der Natur ;-))

9 Reiten ist nur was für Mädchen

Genau wie Barbies, Ballett und Glitzernagellack, alles klar. Nur weil wir uns an bestimmte Rollenmuster gewöhnt haben, müssen wir sie nicht zwangsläufig bis in alle Ewigkeit reproduzieren. Okay, 79 Prozent der Mitglieder der Deutschen Reiterlichen Vereinigung sind Mädchen oder Frauen und im Freizeitsport – dem zwei Drittel aller Reitenden in Deutschland angehören – findet sich diese prozentuale Verteilung gespiegelt. Mädchen fällt es sicherlich leichter, eine emotionale Verbindung zu ihrem Pferd aufzubauen. Das ist aber nicht naturgegeben, sondern kulturell bedingt. Yakari mit seiner engen Freundschaft zu Kleiner Donner ist neben den Bibis, Tinas und Wendys in der großen weiten Welt der Pferdemädchenliteratur eben doch eine große Ausnahme. Doch erinnern wir uns einfach mal an die Entwicklung im Frauenfußball. Bis 1970 war das Kicken für Frauen offiziell vom Deutschen Fußballbund untersagt. Die Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Kurz und gut: Das Kicken galt als unweiblich, so wie das Reiten heute noch oft für unmännlich gehalten wird. Warum sollten sich Frauen und Männer von derartigen Vorurteilen im Jahre 2022 noch einschränken lassen?

10 Wer reitet, kann ohne Pferdeposter nicht leben

Niemand wirft Basketball-Fans vor, dass sie sich lebensgroße Starschnitte von Dennis Schröder übers Bett hängen. Kein Fußballfan muss lange erklären, warum sein Zimmer mit Postern von Leon Goretzka, Joshua Kimmich und Leroy Sané tapeziert ist. Fans der Formel 1 dürfen sich Bilder von Rennwagen aufhängen, ohne sich lange dafür rechtfertigen zu müssen. Aber die „Pferdemädchen“ ernten übertriebenes Augenrollen, wenn sie Poster schöner Pferde gern anschauen und an die Wand pinnen. Das heißt übrigens nicht, dass das Poster von Billie Eilish, das vielleicht gleich daneben hängt, weniger wichtig ist. Ach ja, die Sängerin und Songwriterin mit den 104 Millionen Followern auf Instagram reitet übrigens auch. Ihre ersten Songs hat sie zusammen mit ihrem Bruder Finneas im gemeinsamen Kinderzimmer produziert, in dem weit und breit kein Pferdeposter zu sehen war.

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