Früher war Plattdeutsch weit verbreitet. Heute sprechen in Deutschland nur noch 3,5 Millionen Menschen die Sprache und die meisten sind aus der Generation deiner Großeltern. Doch Platt wird wieder Trend! Wer es lernen möchte, kann sich mit Apps wie der PlattinO-App oder dem Platt-Cast Podcast schlaumachen. In der Musik-Branche sind Bands wie Wipsteert und Rockwark mit ihren Songs auf Platt erfolgreich und beim Musikwettbewerb Plattsounds können jungen Bands, die auf Platt texten, im November in Leer ihr Können beweisen. Es lohnt sich also, diese aussterbende Sprache zu retten!
1 Großeltern verstehen und mitreden

Als Nordkind kennst du das bestimmt: Ein gemütlicher Nachmittag mit Kaffee und Kuchen bei deinen Großeltern; es wird gelacht, getratscht und gesnakkt – und da ist es plötzlich wieder! Du verstehst nur noch die Hälfte, kannst allenfalls erahnen, worum es geht. Zugleich magst du den Klang, der ein gewisses Gefühl von zuhause in sich trägt.
Wollen Opa und Oma etwa, dass du etwas nicht mitbekommst? Oder sind sie nur in schöne alte Zeiten verfallen, in denen alle so geredet haben? Dann hast du schon den ersten guten Grund gefunden, um Plattdeutsch zu lernen. Mal ganz davon abgesehen, dass den beiden die Kinnlade runterklappen wird, wenn du mehr als 'Moin' draufhast und ganz genau weißt, was es heißt, wenn Opa dir freudestrahlend mit 'Da hög ick mi över!' ('Da freu ich mich drüber!) antwortet.
2 Verdammt coole Musik – auf Plattdeutsch

Wenn Marcus Bruns mit seiner Gitarre und seiner Band Wippsteert die Bühne betritt, die ersten Akkorde spielt, dazu Drums, Keyboard und sogar ein Banjo zum rhythmischen Sound beitragen, ist erst einmal alles wie immer auf Rockkonzerten. Sobald Bruns die ersten Verse singt, ändert sich allerdings was. Denn er singt auf Platt. Was ungewöhnlich klingt, funktioniert überraschend gut.
„Als wir die Band gegründet haben“, erzählt Bruns, „wussten wir erst nicht genau, ob wir deutsche oder englische Texte singen wollen, und da hab ich Platt vorgeschlagen. Ich bin damit groß geworden, meine Eltern sprachen immer Platt, und ich mag das sehr, weil es sowohl augenzwinkernd als auch geradeheraus ist. Man kann damit Klartext reden, ohne irgendwem wehzutun.“ Und wie ist die Reaktion auf seine Musik? „Gerade das jüngere Publikum findet das cool.“

Auch Sängerin Karin Dittmers und ihre Band Rockwark aus Bremen texten auf Platt. Die Band hat unlängst sogar die vielleicht erste plattdeutsch-ukrainische Songkollaboration überhaupt aufgenommen. Gemeinsam mit der Sängern Marie Cheba aus Kiew ist der hochemotionale Track „Oktober“ entstanden, in dem es um Maries Gefühle im Krieg geht – ergänzt durch plattdeutsche Lyrics von Karin. Marie Cheba war auf die Nordlichter aufmerksam geworden, nachdem sie ihre Version der ukrainischen Hymne ins Netz gestellt hatten.
Platt, sagt Karin, lasse sich wunderbar singen, weil es nicht so hart sei wie Hochdeutsch. Das helfe auch, die teils sehr schweren Themen wie Flucht und Krieg musikalisch zu verarbeiten. „Ich finde, es ist eine wunderschöne Sprache, die zu bewahren sich lohnt. Für mich persönlich ist Platt ein Stück Heimat und Identität im positiven Sinne.“
3 Jugend-Musikwettbewerb Plattsounds
Wenn du selbst Musik machst und mit einer Band auftrittst, kannst du direkt in die Fußstapfen von Wippsteert treten. Und zwar beim Bandcontest Plattsounds, der alljährlich an wechselnden Locations über die Bühne geht.
Der Bandcontest „Plattsounds“
Zehn ausgewählte Bands oder Solomusiker wetteifern vor Publikum um die ersten drei Plätze. Der Clou: Du musst kein Platt beherrschen, um dich bei Plattsounds zu bewerben. Hauptsache ist, dass du beim großen Auftritt deinen Song auf Platt vorträgst – das kann ein bereits vorhandenes Stück sein, denn die Jury bietet an, deinen Text vom Hochdeutsch ins Plattdeutsch zu übersetzen und hilft sogar bei der Aussprache. Zugelassen sind übrigens sämtliche Stile und Genres, von Rock über Pop, HipHop, Folk und Co. war schon alles dabei. Bewerben kannst du dich bis Mitte September, der Contest selbst findet am 11. November in Leer statt.
4 Gut zu wissen: der Platt-Cast
Aber was ist am Platt eigentlich noch spannend? Rund um das das Thema Plattdeutsch dreht sich seit nunmehr 55 Folgen der Podcast Platt-Cast.: Wenn du schon immer wissen wolltest, was Mitschien, Balke, Klunder, Grantniedel, Flap oder Foodstütter bedeutet, bist du hier richtig, denn die Plattcaster geben interessante Einblicke ins Plattdeutsche, mit denen du deine Sprachkenntnisse erweitern kannst, während sie sich zugleich mit hochaktuellen Themen befassen, von Fußball bis ChatGPT, von regionalen Biersorten bis hin zu allem, was irgendwie mit dem Emsland zu tun hat – und dieses schmackhafte Gebräu bringen sie mit so viel Humor und Liebe zum Detail rüber, dass ein gewisser Suchtfaktor entsteht. Auch, wenn man nicht auf Anhieb alles versteht.




5 Plattdeutsch ist eine Weltsprache
Einer, der das Plattdeutsche lebt und zelebriert wie kaum ein anderer, ist der Musiker, Schauspieler und Entertainer Yared Dibaba. „Ich bin in Ostafrika geboren, nicht in Ostfriesland, deswegen spreche ich ostafrikanisches Plattdeutsch“, erzählt er augenzwinkernd bei einem Besuch einer Plattschnacker-Community in den USA. Dibaba ist Moderator beim NDR und taucht immer wieder auf der Seite „Die Welt snackt Platt“ auf. Hier bündelt der Sender alle Beiträge zum Thema Plattdeutsch. Besonders toll ist das Video über die neunjährige Anastasia. Sie ist erst vor einem Jahr mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Oldenburg geflohen und hat jüngst einen plattdeutschen Lesewettbewerb gewonnen – Integration funktioniert manchmal ganz wunderbar und Sprache schlägt dabei die wichtigste Brücke.

6 Neue Sprachen lernen hält geistig fit
Platt zu lernen ist sicher einfacher als „richtige“ Fremdsprachen wie Englisch, Spanisch oder Türkisch. Aber der Effekt ist dadurch nicht geringer. Denn das Sprachenlernen ist super für deine kognitiven Fähigkeiten. Das Gehirn von mehrsprachigen Menschen gilt wissenschaftlich als Multitalent im Multitasking. Während das einsprachige Gehirn quasi wegschaut, sobald es eine unverständliche Sprache hört, legt das mehrsprachige Gehirn in dem Moment erst richtig los. Denn es denkt nicht getrennt mal in der einen, mal in der anderen Sprache, sondern gewissermaßen in allen Sprachen gleichzeitig. So ist es auch zu erklären, wenn es einem gelegentlich passiert, dass man zwar den korrekten Begriff, den man sucht, in einer Fremdsprache parat hat, er einem in der Muttersprache aber partout nicht einfallen will.

7 Du hilfst, eine aussterbende Sprache zu retten
Bis vor dem Zweiten Weltkrieg war Plattdeutsch weit verbreitet und wurde längst nicht nur in bestimmten Regionen gut verstanden. Doch das ist lange her. Statistisch sprechen es in ganz Deutschland heutzutage nur noch rund 3,5 Millionen Menschen – mit sinkender Tendenz, denn viele davon sind schon im Alter deiner Großeltern. Je weniger junge Leute Plattdeutsch lernen, desto schlechter steht es um die Sprache. Irgendwann könnte sie ganz verschwunden sein. Jeder einzelne, der Spaß am Plattdeutsch hat und Lust, sich damit zu beschäftigen, hilft also mit, eine wunderschöne Sprache vor dem Aussterben zu bewahren.
8 Plattdeutsch lernen per App

Aber wie soll man lernen, Platt zu sprechen, wenn man nicht das Glück hat, eine der wenigen Schulen in Bremen oder Niedersachsen zu besuchen, an denen es auf dem Lehrplan steht? Die ersten Schritte können einem vielleicht noch die Großeltern oder andere Verwandte beibringen. Gute Nachricht: Inzwischen kann man Platt mit Hilfe der PlattinO-App auch spielerisch unterwegs lernen. Die App funktioniert ähnlich eingängig wie andere populäre Sprachlern-Apps für Smartphone und Tablet. Man beginnt klein und arbeitet sich durch mehrere Ebenen hoch, lernt Vokabeln und Grammatik, trainiert mit Audiobeispielen die richtige Aussprache und muss zahlreiche Aufgaben lösen – bis man das ostfriesische Platt fast so gut beherrscht wie Oma und Opa.
9 Der allerbeste Grund: die Sprache selbst
Und falls dich all diese guten Gründe noch nicht so richtig überzeugt haben, gelingt es vielleicht der plattdeutschen Sprache selbst, dein Herz zu gewinnen. Denn sie ist einfach wunderschön. Hier ein paar Beweise:
- Ich liebe dich – Ik heff di bannig leef
- Ich wünsch dir einen schönen Tag! – N mooien Dag wünsch ik di!
- Was es nicht alles gibt! - Dat dat dat gift!
- Lass es dir gutgehen! - Laot juh guet gaohn!
- Auf Wiedersehen! - Bis düsse Dage!
- Ich friere! - Et früßt mi!
Na, neugierig geworden? Noch viel mehr davon findest du im plattdeutschen Wörterbuch des NDR.