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Ein Plädoyer für mehr gesunde Langeweile: Wenn Langeweile guttut, warum fühlt sie sich so schlecht an?

Hätte ich mehr Langeweile gehabt – mir wäre der Einstieg in diesen Text womöglich kreativer gelungen. Du glaubst mir nicht? Frag die Forschung! Tatsächlich ist Langeweile ein sehr gutes Werkzeug, um Kreativität und Einfallsreichtum entstehen zu lassen. Und trotzdem tun wir oft alles dafür, uns bloß nicht zu langweilen. Und selbst, wenn uns die Langeweile geradezu aufgezwungen wird, sei es beim Warten auf den Zug oder in der Schlange im Supermarkt, haben wir mit unserem Smartphone eine sofortige Ablenkung zur Hand. Dass wir den Zustand des Nichtstuns und das damit verbundene Gefühl der Langeweile tunlichst vermeiden, passiert meist nicht einmal bewusst. Vielmehr gibt es in unserer modernen Leistungsgesellschaft wenig, das mehr verabscheut und gefürchtet wird als Unproduktivität. Vielleicht fällt es uns deshalb so schwer, uns zu langweilen. Zeit, das Imageproblem der Langeweile anzugehen.

Redakteurin VGH Wiebke Knoche JetztLosleben
von Wiebke Knoche14 Februar, 2021
Langeweile zulassen
Das Wichtigste in 60 Sekunden

Langeweile ist ein Luxus, den wir uns öfter leisten sollten, ohne dabei gleich ein schlechtes Gewissen zu haben. Ironischerweise kann gerade das Nichtstun den Anstoß dazu geben, neue Ideen zu entwickeln und voranzukommen. Wer seine Gedanken öfter einmal schweifen lässt, fördert den Einfallsreichtum und schafft Raum für Kreativität. Gleichzeitig bietet Langeweile die Chance, sich mit sich selbst und seinen eigenen Gedanken zu beschäftigen, was in Zeiten der Reizüberflutung dringend nötig ist. Bleibt es jedoch nicht nur bei Momenten der mentalen Auszeit, sondern dominiert Langeweile den Alltag, ist ärztliche Hilfe gefragt. Wer sich für nichts mehr begeistern kann und ständig gelangweilt ist, hat möglicherweise ein Bore-Out. Die Symptome sind hier ähnlich wie bei dem weitaus bekannteren Burn-Out und sollten ernstgenommen werden.

Langeweile – was ist das überhaupt? 

Langeweile wird am häufigsten definiert als ein unangenehmes Gefühl. Wir möchten etwas Zufriedenstellendes tun, können es aber nicht.Stefanie Uhrig, Neurobiologin und Wissenschaftsjournalistin
Stefanie Uhrig Expertin fuer langeweile
Stefanie Uhrig

Nach dieser Definition wird schnell klar, dass die Verknüpfung von Nichtstun und Langeweile hakt. Wer gerade keiner Aufgabe nachgeht, fühlt sich nicht automatisch gelangweilt. Umgekehrt kann eine Tätigkeit aber Langeweile hervorrufen. Weg von der Theorie, machen wir es konkret: Stell dir vor, du sitzt in einer Vorlesung oder in einer Konferenz. Du musst eigentlich zuhören, was besprochen wird, das Thema interessiert dich aber absolut gar nicht. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis zwei Dinge passieren: Deine Gedanken schweifen ab und du konzentrierst dich nicht mehr auf den Vortrag. Gleichzeitig schleicht sich das schlechte Gewissen an und erinnert dich daran, dass du aufmerksam zuhören solltest. Es kommt also zu einem Konflikt zwischen deinem Pflichtbewusstsein und dem situativen Abschied deiner Konzentration. Oder anders gesagt: Es gelingt dir nicht, deine Konzentration auf das zu richten, was du tun musst. Die Wunschsituation stimmt nicht mit der Realität überein und du langweilst dich. Anders ist es hingegen, wenn du bei monotonen oder automatisierten Tätigkeiten, wie putzen oder joggen, mit den Gedanken abschweifst. Hier kommt es zu keinem Konflikt und deshalb auch nicht zu einem unangenehmen Gefühl von Langeweile. 

Doch was passiert, wenn du nur deine Gedanken schweifen lässt, ohne einer (monotonen) Tätigkeit nachzugehen? Wissenschaftlich gesehen wird in Zeiten, in denen wir nichts zu tun haben, das sogenannte Ruhestandsnetzwerk im Gehirn aktiv. Pause oder Leerlauf kennt unser Kopf nämlich nicht. Und deshalb ist die Funktion dieses Netzwerkes nicht Nichtstun, sondern die Gedanken schweifen lassen. Solche Momente sind wichtig, denn hier entsteht Raum für Kreativität und neue Gedanken. Trotzdem gönnen wir uns diese mentalen Auszeiten selten, oftmals empfinden wir sie sogar als unangenehm. Ist das die Langeweile?

Hier gilt es zu unterscheiden: Empfindest du das Nichtstun tatsächlich als langweilig oder ist es eher die Unfähigkeit diesen Zustand zu tolerieren, die dich belastet? Zu verdenken wäre es dir nicht. Im Gegenteil: Unsere Gesellschaft und der ständige Druck, etwas leisten zu müssen, haben längst dafür gesorgt, dass wir das Gefühl von Langeweile kaum noch kennen, geschweige denn zulassen. Ertappen wir uns beim Tagträumen, meldet sich schnell das schlechte Gewissen: Auch wenn wir gerade gar keinem Vortrag lauschen oder eine andere Aufgabe erledigen müssen, können wir uns das Nichtstun oft nicht zugestehen und ärgern uns über die eigene Unproduktivität.  Einfach nur dasitzen ist keine Option oder vielmehr: verschwendete Zeit. Doch wir lagen noch nie so falsch! 

Langeweile bewusst zulassen
Langeweile vertreiben mit smartphone
Langeweile zeigt sich im gehirn
Langeweile im gehirn

Permanenter Produktivitätsdruck macht unproduktiv  

Gerade, wenn wir die Gedanken schweifen lassen können – sei es, weil wir nichts zu tun haben, weil wir keine Beschäftigung finden oder weil die Tätigkeit, der wir nachgehen automatisiert abläuft und keine große Aufmerksamkeit erfordert – passiert im Kopf sehr viel. Sind wir gestresst, wälzen wir gerne die immer gleichen Gedanken hin und her. Lassen wir hingegen den Zustand des Tagträumens zu, in dem unsere Gedanken umherschweifen, entsteht Raum für Neues. 

Wir brauchen nicht unbedingt Langeweile, um kreativ zu sein. Sie ist auch keine Garantie dafür, dass wir vor Ideen sprudeln. Trotzdem kann Langeweile Kreativität entstehen lassen, wenn wir sie annehmen und uns nicht sofort Ablenkung suchen.Stefanie Uhrig

Einfach mal nichts tun – das gelingt manchen besser, doch andere fühlen sich direkt gelangweilt und möchten sich so schnell wie möglich von diesem Zustand befreien. Smartphone, Netflix und Co. bieten hier längst unerschöpfliche Möglichkeiten für Ablenkung. Weitaus schwieriger ist es, sich mit der Langeweile zu beschäftigen. Man könnte ja etwas verpassen! Doch zu welchem Preis? Weil es den von außen verordneten Stillstand nicht geben wird, solltest du ihn dir selbst regelmäßig holen. Andernfalls versäumst du deine eigenen Gedanken. 

Nimm dir bewusst Zeit, in der du dich weder vom Fernsehen noch von deinem Social-Media-Feed berieseln lässt. Schalte alles ab und mache den Kopf frei - das verringert den Stress und schult die Achtsamkeit. Dein Gehirn wird automatisch damit beginnen, dein Unterbewusstsein zu erforschen. Das kann kreative Prozesse in Gang setzen und gibt dir die Gelegenheit, dich selbst zu hinterfragen. Lässt du deinen Gedanken freien Lauf, wirst du erkennen, was du wirklich willst, wonach du dich vielleicht sehnst oder was du verändern möchtest. Tagträumen kann spannend sein und wichtige Erkenntnisse liefern. 

Gesunde Langeweile

Gefährlich wird Langeweile erst dann, wenn sie chronisch ist. Das heißt, wenn wir uns kaum noch für irgendetwas begeistern können. Denn einerseits hängt Langeweile mit einem erhöhten Risiko für Depressionen zusammen. Dann ist es wichtig, sich Hilfe zu suchen. Andererseits finden manche Menschen auch kurzfristig einen Ausweg in riskantem Verhalten – das sollten wir möglichst vermeiden.Stefanie Uhrig
BerufsunfähigkeitsversicherungPsychische Erkrankungen sind eine der Hauptursachen für Arbeitsunfähigkeit.

So seltsam es klingen mag: Regelmäßiges Nichtstun und Gedanken schweifen lassen ist wichtig, zu viel Langeweile aber ist ungesund. Langweilst du dich ständig und findest keine Beschäftigung, die dich zufriedenstellt, besteht das Risiko eines Bore-Outs. Klingt fast wie Burn-Out, äußert sich auch in ähnlichen Symptomen, ist aber genau das Gegenteil. Nicht der Berg an Arbeit, sondern Unterforderung und damit Langeweile sorgen dafür, dass man sich ausgebrannt fühlt. Weil Langeweile aber immer noch als Luxusproblem gilt, wird dieser Krankheitstyp – anders als der überarbeitete Manager – öffentlich häufig belächelt. 

staendige Langeweile ist ungesund

Dabei kann ein Bore-Out schwerwiegende Folgen haben: Wer viel gelangweilt ist, neigt eher dazu, Alkohol zu trinken, zu rauchen oder andere Drogen zu nehmen. Gerade Menschen, die ihr Leben fad und eintönig finden, sind besonders anfällig dafür, Langeweile mit riskantem Suchtverhalten zu kompensieren. Solange man die Langeweile aber nur betäubt und nicht bekämpft, wird sie nicht weggehen und es wird auf Dauer immer schwieriger, sich für die kleinsten Tätigkeiten aufzuraffen. Beobachtest du ein solches Verhalten bei dir selbst, solltest du frühzeitig zu einem Arzt oder Psychologen gehen. 

Nichtstun aushalten

Unsere Gesellschaft ist getrieben von der Prämisse, dass alles Tun einen höheren Zweck erfüllen muss. Schließlich gibt es immer etwas Besseres zu tun als Nichtstun. Weil wir diesen permanenten Produktivitätsdruck verinnerlicht haben, empfinden wir den normalen Ruhezustand oft als belastend und machen die Langeweile dafür verantwortlich. Dabei ist es nicht immer das Fehlen von zufriedenstellender Beschäftigung, das sich unangenehm anfühlt, sondern oft auch das eigene schlechte Gewissen, das uns das bloße Tagträumen verbietet, obwohl wir es eigentlich genießen könnten. Doch ganz gleich, aus welchen Gründen wir das Nichtstuns als unangenehm empfinden – wir sollten uns darin üben, es hin und wieder auszuhalten. Denn nur so können neue, eigene Gedanken entstehen und in der Welt wirksam werden. Was genau dabei herauskommt, ist nicht klar. Aber das muss es auch nicht sein.

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