Reisen mit dem Zug ist nachhaltig und bringt dich schnell mitten in eine neue Stadt. Vor allem für Menschen unter 27 Jahren lohnen sich der Global-Pass oder der Ein-Länder-Pass von Interrail, mit denen du nach Wahl für einen bestimmten Zeitraum unterwegs sein kannst. Wir haben mit Kira gesprochen, die schon seit vielen Monaten mit Interrail reist. Sie berichtet von ihren Erfahrungen mit langen Zugfahrten und Übernachtungen im Hostel und weiß genau, was unbedingt ins Gepäck gehört. Was auf jeden Fall wichtig ist: eine entspannte Einstellung sowie Offenheit für Neues und Ungewohntes.
Interrail: beliebt wie nie
Okay, es war Corona und dann hatten im letzten Jahr wieder alle Lust aufs Reisen. Aber damit hatte die Bahn nicht gerechnet: Die Zahl der verkauften Interrail-Tickets in Europa ist 2022 auf den Rekordwert von etwa 600.000 gestiegen. 70 % davon wurden von Leuten unter 27 genutzt. Spitzenreiter ist übrigens Deutschland mit 142.000, es folgt die Schweiz mit 94.000 und Großbritannien mit 63.000. Die Zahl der verkauften Tickets hat sich damit im Vergleich zu 2019 fast verdoppelt. Einer der Gründe: Interrail feierte im vergangenen Jahr sein 50-jähriges Jubiläum und bot Tickets wesentlich günstiger an. Zugeschlagen hat bei dieser Gelegenheit auch Kira aus Braunschweig.
Einfach aus dem Fenster gucken
Kira, 33, ist begeisterte Interrailerin. Ihre Wurzeln liegen in Trier, zum Studium zog sie nach Wolfenbüttel, heute lebt sie in Braunschweig. Zum Reisen hat sie sich ein Jahr Auszeit vom Job genommen und berichtet auf ihrem Blog von ihren Erlebnissen. Über zehn Länder hat sie bereits erkundet und es mit dem Zug – der auf eine Fähre verladen wird – bis nach Sizilien geschafft. Für Kira ist tatsächlich der Weg das Ziel: „Im Zug kann ich einfach dasitzen und mir die Landschaft anschauen, die beispielsweise in der Schweiz oder in Südfrankreich traumhaft ist“. Sie genießt das Unterwegssein ohne Navi-Ablenkung und Verantwortung am Steuer. Und in Sachen Nachhaltigkeit schneidet der Zug eben auch besser ab als Auto oder Flieger, außerdem liegen Bahnhöfe viel näher an den Zentren der Metropolen als Flughäfen – ein weiterer Pluspunkt.
Wichtig: gute Planung und gute Nerven
Kira ist papierlos in Europa unterwegs, sie nutzt die Rail Planner-App, über die sich von der Reiseplanung bis zum Vorzeigen der Fahrkarte im Zug alles erledigen lässt. Unbedingte Empfehlung! Was du bei der Planung bedenken solltest: Hochgeschwindigkeitszüge wie der französische TGV sind reservierungspflichtig und die Reservierung kann in manchen Ländern kompliziert sein. In Spanien ist dies nur vor Ort am Bahnhof möglich. Vor allem in der Hochsaison kann es passieren, dass ein Zug schon ausgebucht ist und du den nächsten nehmen oder auf einen Regionalzug ausweichen musst. In der App kannst du nach Zügen ohne Reservierung filtern.
Es kann immer passieren, dass etwas nicht ganz nach Plan läuft, und so lautet Kiras wichtigster Tipp an Interrail-Neulinge: „Nicht frustriert sein, wenn man warten muss, das Beste aus der Situation machen.“ Empfehlenswert ist es auch, die Unterkunft möglichst nah am Bahnhof zu buchen, damit der Weg zum Bett nach einer – ungeplant – langen Fahrt nicht mehr so weit ist.
Wenn der nächste Halt beim Arzt ist
Egal, ob du viele Monate lang oder nur für zwei Wochen unterwegs bist: Es kann passieren, dass du unterwegs krank wirst, einen Arzt aufsuchen musst oder gar ein Krankenhausaufenthalt notwendig wird. Das kann insbesondere dann teuer werden, wenn die Behandlungskosten über dem deutschen Kostensatz liegen. Die entstehende Differenz musst du dann nämlich selbst tragen. Mit der Reisekrankenversicherung der VGH und ÖVB brauchst du dir auf deiner Tour darüber nicht den Kopf zu zerbrechen. Sie kommt für ambulante und stationäre Heilbehandlungen auf und der Notruf-Service ist rund um die Uhr erreichbar.
8 Dinge, die du auf der Interrail-Tour unbedingt dabeihaben solltest:
- Ohrstöpsel. Wenn man günstig im Mehrbettzimmer in einem Hostel übernachtet, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass irgendwer schnarcht …
- Immer genug Snacks, süß oder salzig, um auch ungeplante Verspätungen zu überbrücken
- Die gute alte Wasserflasche. Mineralwasser an Bahnhöfen kaufen zu müssen, kann extrem teuer werden
- Zusätzliche Scans aller wichtigen Dokumente in der Cloud sichern (so hast du sie quasi immer sicher dabei)
- Mini-Waschpulver und Klammern für die kleine Wäsche zwischendurch
- Vorhängeschloss zum sicheren Verstauen von Wertsachen in Spinden
- Flip-Flops zum Betreten von etwas länger nicht gereinigten Duschen
- Eine Powerbank, besser zwei
Eine praktische Interrail-Packliste zum Abhaken findest du auf Minimalwaste.
Ein Kniffelspiel in einer mittlerweile stark verbeulten Dose schleppt Kira seit Anfang ihrer Reise in ihrem Rucksack mit und hat es noch nie benutzt; wenn sie unterwegs mit anderen Leuten eine Spielerunde einlegt, kommen Kartenspiele zum Einsatz. Auch an Kleidung braucht sie unterwegs weniger, als sie ursprünglich dachte. Die meisten Hostels haben eine Waschmaschine und wenn nicht, ist der nächste Waschsalon nie weit weg. Ihre Unterkünfte bucht Kira meistens relativ spontan, wobei das in der Hochsaison schwieriger werden kann.
Wann, wohin, wie viel: Interrail-Fakten
Was geht mit welchem Pass?
Per Interrail kannst du entweder mit dem Global-Pass 33 Länder mit dem Zug erkunden oder dich mit dem Ein-Länder-Pass auf ein Land konzentrieren. Beim Global-Pass hast du die Wahl zwischen zahlreichen Varianten von „innerhalb eines Monats an vier Tagen fahren“ bis „innerhalb von drei Monaten so oft fahren, wie du möchtest“. Entscheidest du dich für ein Land, darfst du innerhalb eines Monats an drei bis acht Tagen unterwegs sein. Welcher Pass am besten zu deinen Bedürfnissen passt, kannst du auf dieser Seite prüfen, sie ist dein Wegweiser durch den Tarifdschungel.
Was kostet das?
Wenn du jünger bist als 27 Jahre, zahlst du je nach Pass 15 bis 25 Prozent weniger. So kostet beispielsweise der Bestseller „7 Tage innerhalb von 1 Monat“ für junge Menschen 264 €, ab 28 Jahren sind es 352 €. Und wenn es nur ein Land sein soll, ist Polen wesentlich günstiger als z. B. Italien oder Frankreich.
Grün und mit kleinem Budget unterwegs
Nachhaltigkeit ist für Kira wichtig und nach diesem Grundsatz lebt sie auf Reisen ebenso wie zu Hause. „Es nervt mich am Reisen, dass man ständig Essen und Getränke to go kauft.“ Ihre Helfer im Kampf gegen die Wegwerf-Mentalität heißen Becher, Wasserflasche, Tupperdose und Taschenmesser (darf man immer bei sich haben, wenn man nicht fliegt!). Shampoo, Spülung und Duschgel hat sie jeweils in fester Form dabei. Diese Variante ist nicht nur umweltfreundlicher als Plastikflaschen, sie nimmt auch weniger Platz weg. Die festen Produkte sind äußerst ergiebig und halten sehr lange. In diesem Artikel findet ihr niedersächsische Hersteller, die sich auf die Produktion von Naturkosmetik und -pflege spezialisiert haben.
Um den Geldbeutel zu schonen, bieten sich nicht nur Übernachtungen im Hostel an. Kostenlose Unterkünfte bei Privatpersonen findest du über die Plattform Couchsurfing oder weniger kommerzielle Alternativen wie BeWelcome und Trustroots. WWOOF steht für „World-Wide Opportunities on Organic Farms“, dort findest du Unterkunft und Verpflegung gegen einige Stunden Arbeit in der ökologischen Landwirtschaft pro Tag. Einen grandiosen Service für Reisende mit kleinem Budget bietet FREETOUR. Auf der Plattform findest du kostenlose Stadtführungen von Ortskundigen (Trinkgeld geben ist natürlich erlaubt). Meistens geht es zu den Highlights der großen Städte, aber manchmal werden auch Themen-Rundgänge angeboten, zum Beispiel zu Street Art oder jüdischer Geschichte.
Kochen und quatschen
Kira ist ein Foodie und geht auf Reisen gern essen, um Neues auszuprobieren. Auf die Dauer geht das natürlich ins Geld, daher verpflegt sie sich auch im Supermarkt und achtet bei der Buchung von Hostels darauf, dass es dort eine Küche mit Kühlschrank gibt. Küchen sind auch unterwegs tolle Orte, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Viele Hostels bieten übrigens Schlafräume nur für Frauen an. Dort können sich vor allem allein reisende Frauen sicherer fühlen – und weniger geschnarcht wird in der Regel auch.
Die Verständigung auf Englisch klappt fast überall in Europa – am wenigsten kann man laut Kira in Süditalien mit Englischkenntnissen rechnen. „Aber ich mag auch das“, sagt sie. „Das ist ein bisschen so, wie man sich Reisen in der Vergangenheit vorstellt. Auf dem Markt oder am Ticketschalter verständigt man sich dann eben mit Händen und Füßen.“ Bei der Reservierung am Schalter hilft das Aufschreiben des Zielorts und der Abfahrtszeit.
Was in Nordspanien so alles passieren kann
Wir haben Kira nach ihrem verrücktesten Erlebnis gefragt und von einer unsichtbaren Zugstrecke an der Nordküste Spaniens erfahren. Sie wird von der App nicht angezeigt, findet sich jedoch auf der Interrail-Karte von Marco Polo, die Kira immer bei sich hat. Auf dieser Strecke hatte der Zug an drei Tagen hintereinander eine Panne und die Weiterfahrt musste mit dem Bus oder Taxi organisiert werden. Schicksalsgenossen, mit denen Kira und ihre Freundin sich das Taxi teilten, trafen sie dann anderthalb Wochen später zufällig auf dem Bahnhof in Santiago de Compostela wieder. Diese intensiven Zufallsbegegnungen gehören zum Interrail dazu, wenn man sich darauf einlässt, gemeinsam zu improvisieren.
Lust auf mehr Interrail-Storys? Hier sind Kiras Lieblingsblogs
- The Man in Seat 61: auf Englisch, praktische Tipps für Bahnreisen weltweit. Betrieben von Mark Smith, ehemaliger Angestellter von British Rail und leidenschaftlicher Zugreisender.
- REISELIFE: Inspirationen für das Reisen auf Gleisen in Europa vom Zugfräulein Steffi. Ihr Ziel: die schönsten Bahnstrecken dieser Welt erkunden!
