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Gender Pricing & Periodenarmut: Diskriminierung in pink

Frauen müssen für Alltägliches mehr bezahlen als Männer, weil Produkte oder Dienstleistungen genau auf ihre Zielgruppe zugeschnitten sind. Und das, obwohl Frauen nachweislich und selbst bei gleicher Arbeit immer noch weniger verdienen als Männer. Auch Periodenprodukte sind oft teuer und können darüber hinaus nicht selbstverständlich und unbeschwert eingekauft werden, weil sie noch immer für einen Makel stehen. Ein Plädoyer für faire Preise und mehr Gerechtigkeit.

von Lena Gröbe25 Oktober, 2022

Habt ihr schonmal davon gehört, dass Frauen für identische Alltagsprodukte oft mehr bezahlen müssen als Männer? Was kurios klingt, ist tatsächlich bei vielen Produkten oder Dienstleistungen ganz normal. Wenn Frauen mehr bezahlen müssen, weil ein Produkt oder eine Dienstleistung bewusst auf ihre Zielgruppe zugeschnitten ist, nennt sich das Pink Taxing oder auch Gender Pricing. Es handelt sich dabei um Preisdiskriminierung, die nicht sachlich begründbar ist, denn das exakt gleiche Produkt ist für Frauen deutlich teurer und das oft nur, weil es zum Beispiel pink statt blau verpackt ist. Am häufigsten findet man die Pink Tax bei Produkten des täglichen Bedarfs, wie Rasierern, Shampoo oder Duschgel. Aber auch gleichwertige Kleidung und Spielzeug kommen oft in unterschiedlichen Preisvarianten daher: Die teure und häufig pinke Variante für Frauen und Mädchen und die günstigere für Männer oder Jungs. Ein pinker Fahrradhelm kostet mehr als ein blauer, eine pinke Bluse oft mehr als ein sonst identisches blaues Hemd.

Die Tricks der Hersteller

Da es sich um keine offizielle Steuer handelt und natürlich auch kein Hersteller die unterschiedlichen Preise zugeben möchte, bedienen sie sich verschiedener Tricks, um die Differenzen zu verschleiern. So werden die Preise der Produkte zum Beispiel durch unterschiedliche Designs und Flaschenformen oder auch Füllmengen kaschiert. Häufig werden zum Beispiel identische Rasierklingen in unterschiedlichen Farben und unterschiedlicher Anzahl pro Packung angeboten. Durch die unterschiedliche Anzahl an Klingen pro Packung ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen, dass eine einzige pinke Rasierklinge über 10 % mehr kosten kann als eine blaue Rasierklinge. Diese Tricks funktionieren quer durch alle Produktgruppen in den Drogeriemärkten, wo sich im Schnitt Preisunterschiede von 20 Prozent feststellen lassen. Die Stiftung Warentest konstatiert: „Warum ein baugleicher Rasierer, der sich nur in der Farbe unterscheidet, für Frauen deutlich mehr kosten soll, ist für uns nicht nachvollziehbar.“

Ein Kurzhaarschnitt, zwei Preise

Und auch bei vielen Dienstleistungen findet sich eine Pink Tax. Besonders resistent gegen Kritik ist zum Beispiel die Preisgestaltung beim Friseur. Auch wenn viele Friseursalons heutzutage nach Haarlänge abrechnen, zahlen Frauen für einen Kurzhaarschnitt häufig immer noch mehr als Männer. In einem exemplarisch ausgewählten hannoverischen Friseursalon kostet Waschen, Schneiden und Föhnen für Männer ab 38 Euro, während die exakt gleichen Leistungen für Frauen bei 60 Euro (Kurzhaarfrisur) beginnen. Ähnlich sieht es in einer beispielhaften Textilreinigung in Osnabrück aus: Hier beträgt der Preis für Reinigung und Bügeln eines Hemds 4 Euro, während man für die gleichen Leistungen an einer Bluse 5,50 Euro bezahlen muss. Das ist nicht nur unfair, sondern in Anbetracht der Offensichtlichkeit auch einfach dreist. 

Männer brauchen keine Haarkur?

Doch gibt es auch ganz subtil wirkende Mechanismen, durch die Frauen für Alltagsprodukte häufig mehr bezahlen als Männer. Ein Beispiel ist die Shampoo-Abteilung in einer durchschnittlichen Drogerie. Habt ihr mal versucht ein Shampoo für ganz normales Haar zu kaufen? Wenn ja, dann seid ihr sicher darauf gestoßen, dass es in der Shampoo-Abteilung für Frauen kein solches Produkt gibt. Jedes Shampoo und jede Spülung sind zugeschnitten auf ein angebliches „Haar-Problem“: Spliss, trockene Haare, fettige Haare, fliegende Haare, krause Haare, kolorierte, strapazierte Haare und so weiter. Schaut man hingegen in die Abteilung der Männer, bietet sich einem ein ganz anderes Bild. Hier gibt es gerade mal zwei Alternativen: Shampoo für normales Haar und gegen Schuppen. Vielleicht noch was gegen Haarausfall und ein 3in1-Produkt. Das war’s. Unnötig hinzuzufügen, dass die Produkte für Männer im Schnitt auch weitaus günstiger sind als die für Frauen. Zudem brauchen Männer, betrachtet man das Angebot, angeblich auch keine Spülung und keine Haarkur, Frauen hingegen schon. Das Phänomen der ungleichen Angebote beschränkt sich natürlich auch nicht auf die Shampoo-Regale, sondern erstreckt sich auf nahezu alle Bereiche der Körperpflege. Während Frauen zwischen Gesichtscremes für fettige, unreine, trockene, „reife“ und Misch-Haut wählen müssen, dazu fünf Schritte der Gesichtsreinigung in verschiedenen Varianten, Gesichtsöl, -serum, -peeling, -maske, Augenlotion und so weiter, gibt es für Männer genau eine einzige Art Creme. Diese Liste an ungleichen und unterschiedlich teuren Angeboten für Männer und Frauen könnte man ewig fortführen. Es bleibt am Ende die Frage: Warum ist das so? Warum gibt es so viele „Frauenprodukte“ und warum sind sie so teuer?

Der Druck, schön sein zu müssen

Eine Antwort darauf gibt die Marktforschung: Frauen sind bereit, im Schnitt mehr für Gesundheit und Schönheit zu bezahlen. Sie investieren mehr Geld in ihr Äußeres als Männer, was von vielen Herstellern ausgenutzt wird. Die moderne Marktwirtschaft nutzt die Tatsache, dass schon kleinen Mädchen eingeimpft wird, wie wichtig ein möglichst perfektes Aussehen ist, um andere für sich zu gewinnen. Wenn wir mal ehrlich sind, basiert ein nicht unerheblicher Teil der Konsumwelt auf dem Gedanken, dass Frauen stets bemüht sein sollten, sich und ihren Körper zu optimieren. Sie sollen gut aussehen und am besten nur mit lackierten Nägeln, seidigem Haar und perfekt geschminktem Gesicht aus dem Haus gehen. Natürlich sind Frauen heute emanzipierter und niemand schreibt ihnen mehr vor, wie sie sich zu stylen haben. Offiziell geht es nicht mehr darum, sich für den Mann zurechtzumachen, die Botschaft lautet: „Tu es für dich. Mach genauso weiter wie bisher, aber nicht für ihn, sondern für dich selbst.“ Im Grunde hat sich nicht viel geändert. Das Mittel zur Selbstoptimierung heißt jetzt Selfcare, aber die sexistischen Erwartungen, die hinter dem enormen Pflegeaufwand des Selbst stecken, sind gleich geblieben. Kein Wunder also, dass viele Frauen bereit sind, sehr viel Geld auszugeben, um gesellschaftlichen Erwartungen zu genügen. 

Das geht auf keine "Männerhaut"

Berechtigterweise erntet die Pink Tax schon seit einiger Zeit viel kritische mediale Aufmerksamkeit. Das hat dazu geführt, dass die Preise in vielen Bereichen nicht mehr ganz so häufig und stark divergieren. An manchen Stellen dreht sich das inoffizielle Gender Pricing gar um und verpasst Männerprodukten höhere Preise. Für einige Produkte, die angeblich explizit für Männerhaut entwickelt wurden, wird manchmal ein höherer Preis erhoben als für vergleichbare Unisex- oder Frauen-Produkte. Die Wahrheit ist: Die allermeisten Produkte, die angeblich speziell für Frauen oder Männer entwickelt wurden, braucht kein Mensch. Oft stecken in vermeintlich unterschiedlichen Pflegeserien für Männer und Frauen genau die gleichen Inhaltsstoffe nur mit unterschiedlicher Duftnote: süß für sie, herb für ihn.

Gender Pension Gap

Besonders bitter für Frauen ist die Tatsache, dass sie nicht nur für vieles mehr zahlen müssen, sie verdienen im Schnitt und bezogen auf den Bruttostundenlohn in Deutschland auch 21 % weniger als Männer. Das ist bereits bei jeder einzelnen Lohnzahlung ärgerlich, hat jedoch noch viel weitreichendere Folgen. Denn auch die Rente der Frauen wird selbst dann im Schnitt sehr viel niedriger ausfallen als die der Männer, wenn sie keine Kinder-Pause einlegen – was in Deutschland jedoch immer noch die Regel ist, wenn Paare Eltern werden. In ganz Europa kommt es deshalb zur sogenannten Rentenlücke (Gender Pension Gap), mit der Folge, dass Frauen im Schnitt ein Viertel (26 %) weniger Alterssicherungseinkommen haben als Männer. In Deutschland sieht es sogar besonders trüb aus: Laut Statistikportal der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erhielten Frauen 2021 im Schnitt 420 Euro weniger Rente als Männer. Die Rentenlücke beträgt hierzulande also ganze 34 %. Männer erhielten in Deutschland durchschnittlich 1.227 Euro Rente, Frauen nur 807 Euro. Frauen sind also gut beraten, wenn sie sich frühzeitig um eine unabhängige Absicherung fürs Alter kümmern. Wendet euch am besten an euren VGH- oder ÖVB-Berater und besprecht, wie ihr schon jetzt etwas für eure Altersvorsorge tun könnt.

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Die Periode ist kein Luxus

Zur Pink Tax gehört übrigens auch die sogenannte Tamponsteuer, die in Deutschland inzwischen glücklicherweise abgeschafft wurde. Als Tamponsteuer wird die Mehrwertsteuer auf Tampons, Binden und Slipeinlagen bezeichnet. In Deutschland galt noch bis 2021, dass Periodenprodukte mit dem „Luxussteuersatz“ von 19 Prozent besteuert wurden, während für alle anderen Produkte des täglichen Bedarfs nur 7 Prozent Steuern anfielen. Unter dem Hashtag #keinluxus taten sich schließlich NGOs deutschlandweit zusammen und riefen zum Protest auf. Mit Erfolg: Seit dem 1. Januar 2021 gilt auch auf Periodenprodukte der Steuersatz für Grundbedarfe. 

Wenn das Geld für Tampons fehlt

Ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch ist und bleibt Periodenarmut ein Thema. Unter Period Povertyversteht man den fehlenden Zugang zu Periodenprodukten, und zwar weil den Betroffenen das Geld dafür fehlt. Die meisten von uns müssen sich keine Sorgen um die Finanzierung von Binden, Tampons oder wiederverwendbaren Periodenprodukten machen. Vielen Menstruierenden auf der ganzen Welt geht es anders: Es wird geschätzt, dass weltweit über 500 Millionen Menschen von Periodenarmut betroffen sind, sich also keine geeigneten Produkte leisten können. Selbst in einem reichen Land wie Großbritannien kann sich jedes zehnte Mädchen keine geeigneten Periodenprodukte kaufen. Und jedes vierte Mädchen in Deutschland gibt an, dass die Menstruationsprodukte für sie eine hohe finanzielle Belastung seien. 

Blaues Wasser statt rotes Blut

Kennt ihr die folgende Situation? Ihr seid in der Schule oder Uni und euch fällt ein Tampon aus der Tasche. Mit hochrotem Kopf hebt ihr ihn auf und alle Umstehenden lachen. Das ist ein Paradebeispiel für die Stigmatisierung der Periode. Auch wenn sich viel verändert hat, wird die Menstruation von vielen Menschen immer noch als etwas Unangenehmes oder gar „dreckiges“ verstanden. Noch 2019 kam es in Australien zu einem Eklat, weil das Periodenblut in einer Werbung nicht wie üblich mit blau gefärbtem Wasser dargestellt wurde, sondern mit einer roten Flüssigkeit. Als wäre diese monatliche Realität etwas, das es zu verstecken und für das es sich zu schämen gilt. Für Menschen, die unter Periodenarmut leiden, ist das ganz besonders schlimm. Denn sie haben oft das Gefühl mit niemandem sprechen und sich von niemandem Hilfe holen zu können. Auch in vielen Familien ist die Menstruation leider noch immer kein selbstverständliches Thema, weshalb viele junge Menstruierende Schwierigkeiten haben, sich die nötigen Hygieneprodukten zu beschaffen. Dadurch wird die Periode selbst natürlich noch unangenehmer erlebt – ein Teufelskreis. Wenn niemand mehr auf adäquate Produkte für die monatliche Blutung verzichten soll, dann müssen wir zuerst damit aufhören, die Menstruation zu tabuisieren. Niemand sollte sich für einen Tampon schämen.

Perioden-Vorbild Schottland

Ein Ausweg aus dem Scham-Teufelskreis ist neben der Bekämpfung von Armut – auch im reichen Deutschland lebten 2020 über 16 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze – die Bereitstellung kostenloser Periodenprodukte. Dank der Kampagnen von Non-Profit-Organisationen und Aktivistengruppen beginnen viele Länder, das Problem der Periodenarmut in den Blick zu nehmen. Im August 2022 beschloss zum Beispiel die Regierung Schottlands, dass alle Bildungs- und städtischen Einrichtungen künftig kostenlose Periodenprodukte zur Verfügung stellen müssen. Diese Maßnahme ist für viele Menstruierende eine große Entlastung – für das Portemonnaie und den Kopf. Ein zusätzlicher Effekt: Die kostenlose Bereitstellung der Produkte trägt zur Enttabuisierung der Periode bei. Dass es sie gibt, wird sichtbarer und damit selbstverständlicher. 

Eine Frage der Gleichberechtigung

Zu gesellschaftlicher Gleichstellung gehört nicht nur „gleiches Geld für gleiche Arbeit“, sondern auch die Überwindung unfairer Bepreisungen. Mit der Abschaffung der Tamponsteuer ist ein erster Schritt getan, doch sollte sich Deutschland Schottland zum Vorbild nehmen und kostenlose Periodenprodukte auf die To-Do-Liste setzen. Wir möchten nicht länger mehr zahlen und stärker von Armut bedroht sein, nur weil wir menstruieren. Das ist eine Frage der Gleichberechtigung.

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