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Akupunktur: Zauberei der Medizin oder unnötiges Rumgepiekse?

Stell‘ dir vor, du liegst auf dem Rücken. Du hast Kopfschmerzen, aber der Untergrund ist weich und du bist ganz entspannt. Du schließt die Augen, atmest mehrfach tief ein und aus. Dann finden – eine nach der anderen ¬– 12 dünne, metallene Nadeln den Weg in deine Haut. So verharrst du als menschlicher Stahligel für knappe zwanzig Minuten. Danach wirst du deiner Stacheln wieder entledigt, dein Kopfschmerz ist so gut wie verschwunden. Realität oder Fiktion?

Redakteurin Annika Adler
von Annika Adler21 Juni, 2021
Arzt setzt Nadeln während Akkupunktur Therapie
Das Wichtigste in 60 Sekunden

Akupunktur ist Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin. Mithilfe dünner, kaum spürbarer Nadeln werden spezielle Punkte des Körpers stimuliert, um so Schmerzen zu reduzieren und Beschwerden zu lindern. Wie das funktioniert, ist wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Trotzdem zeigen Studien, dass Akupunktur ein wirksames Mittel bei z.B. Kopf-, Rücken-, Regelschmerzen oder auch Asthma und Heuschnupfen ist. Zum Teil werden die Kosten dafür von der Krankenkasse übernommen. Wer lieber ohne Nadeln behandelt werden möchte, kann alternativ auf eine Laserakupunktur, Akupressur oder Moxa-Therapie zurückgreifen.

Akupunktur findet seit weit über 2.000 Jahren Anwendung in der Medizin, als Alternative oder Ergänzung zu medikamentösen Therapien. Ob die Methode wirklich so viel hilft, wie sie verspricht, wird noch immer kontrovers diskutiert und hält Viele davon ab, sie in Anspruch zu nehmen. Wir erklären dir, was dahintersteckt, wie sicher Akupunktur wirklich ist und was auf dich zukommt, wenn du dich dafür entscheidest.

Ist was dran an der Nadelei?

Akupunktur ist als Heilverfahren Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Die erklärt Krankheitssymptome dadurch, dass die Lebensenergie Qi im Körper blockiert wird. Das Qi kann dann nicht mehr frei durch seine Leitbahnen, die Mediane, fließen. Entlang der 12 Hauptmediane wurden so 361 Akupunkturpunkte identifiziert, deren Stimulation eine solche Blockade löst – und damit sogar die Symptome schwerer Krankheiten lindern soll. 

Die Konzepte der TCM sind mit den heutigen anatomischen Kenntnissen und unserem Wissenschaftsverständnis nicht direkt in Einklang zu bringen. Kaum verwunderlich, schließlich sind sie zum Teil noch vor unserer Zeitrechnung entstanden. Bedeutet das, dass auch die Akupunktur auf die Seiten der Geschichtsbücher verbannt werden sollte? Keineswegs. Denn sie wirkt – auch wenn noch immer nicht klar ist, wie genau.

Das Haus steht auch ohne Fundament

Fakt ist: Wer bestimmte Punkte bzw. Areale des Körpers durch einen Nadelstich stimuliert, löst eine ganze Reihe an Reaktionen im Körper aus. Nerven werden gereizt, biochemische Prozesse in Gang gesetzt. Noch ist der Wissenschaft nicht ganz klar, welche Wirkmechanismen genau eine Rolle spielen. Eines wurde jedoch nachgewiesen: Akupunktur sorgt dafür, dass Schmerzen gelindert werden – zum Beispiel bei chronischen Gelenk- oder Rückenschmerzen. Auch Ulrich Sümper, Präsident des Bunds Deutscher Heilpraktiker, ist von der Methode überzeugt. „Die Patientinnen und Patienten der Heilpraktiker und Ärzte, die mit dieser Methode arbeiten, erleben tagtäglich, wie segensreich diese Therapiemethode sein kann“, bestätigt er.

Diese Ergebnisse spiegeln sich in der Popularität der Methode wider, die sich auch nach 2.000 Jahren noch hält. „Weltweit wird die Akupunktur täglich 100-Tausendfach eingesetzt“, ergänzt Sümper. „Und auch bei der Weiterbildung der Bundesärztekammer wurde sie bereits vor fast 20 Jahren eingeführt.“

Frau mit Gelenkschmerzen bei Akkupunktur Behandlung
Frau mit Nackenschmerzen wird beim Arzt behandelt
Morgengymnastik damit der Körper fit bleibt
Akkupunktur Nadel wird in Hand gestochen

Das Ergebnis muss stimmen

Obwohl es viele Studien gibt, die die Wirksamkeit der Akupunktur bestätigen, ist der Diskurs groß. Wieso? Die Uneindeutigkeit rührt vor allem vom Vergleich mit den Ergebnissen sogenannter Scheinakupunktur-Behandlungen. Hier wird ebenfalls mit Nadeln gearbeitet, die allerdings willkürlich und nicht an den Punkten der TCM gesetzt werden. Auch sie erzielen eine messbare Schmerzminderung. Mittlerweile sprechen großangelegte Metastudien allerdings dafür, dass die Effekte der echten Akupunktur noch größer sind als die der Blindpiekserei.

Was sich in jedem Fall sagen lässt: Egal wie genadelt wird, es funktioniert. Dass manche die Akupunktur trotz sichtbarer Ergebnisse noch immer als Spinnerei weniger Ökofanatiker abtun, sieht der Präsident des Bunds Deutscher Heilpraktiker pragmatisch: „Studien zeigen eine Wirksamkeit bei unterschiedlichen Krankheitsbildern, die Weltgesundheitsorganisation hat eine umfangreiche mögliche Indikationsliste veröffentlicht. Wer die Wirksamkeit trotzdem bezweifelt, soll das gern auch weiter tun.“

Wann sich eine Akupunktur lohnt

Wer sich auf die Suche nach den konkreten Anwendungsmöglichkeiten macht, muss sich durch einen dichten Dschungel an Studien wühlen. Eindeutige Bestätigungen für die Wirksamkeit der Akupunktur gibt es mittlerweile für folgende Beschwerden:

  • Arthroseschmerzen
  • Asthma/ Heuschnupfen
  • Chronische Schmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Kreuz- und Rückenschmerzen an der Lendenwirbelsäule
  • Regelschmerzen

Dazu kommt eine Reihe von über achtzig Krankheitsbildern, bei denen die Akupunkturtherapie eine Behandlungsoption darstellt. Diese Liste wurde von der Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht, sollte im Einzelnen aber aufgrund des Widerspruchs mit Folgestudien kritisch hinterfragt werden.

Experte für Akupunktur Ulrich Sümper
Ulrich Sümper, Präsident des Bunds Deutscher Heilpraktiker

Ulrich Sümper sieht die Vorteile der Methode für die Praxis: „Eine Akupunktur ist kein übermäßig aufwendiges Verfahren und sie ist gut verträglich.“ Außerdem würden keine Medikamente eingesetzt, die man grundsätzlich gern einsparen möchte und Patienten würden nicht belastet. Diese Punkte spielen vor allem bei chronischen Schmerzen eine wichtige Rolle. Denn hier wird häufig mithilfe schwerer Medikamente behandelt, die außerdem ein hohes Suchtrisiko bergen. Eine erfolgreiche Akupunkturbehandlung kann da eine echte Alternative bieten oder als Ergänzung zumindest den Bedarf an Schmerzmitteln reduzieren.

Und wer zahlt?

Die unübersichtliche Studienlage zum Vergleich mit der Scheinakupunktur und mäßige Erklärungsbasis verunsichern auch viele Krankenkassen. Gesetzlich werden Akupunkturbehandlungen als Teil einer Schmerztherapie nur übernommen, wenn du unter chronischen Rückenschmerzen der Lendenwirbelsäule und des Kniegelenks leidest. Und das seit über sechs Monaten. Und nur bei Ärzten mit Akupunktur-Weiterbildung und vertieften Kenntnissen in Schmerztherapie und Psychosomatik. Laut Verbraucherzentrale hast du dann einen Anspruch auf bis zu zehn Sitzungen innerhalb von maximal sechs Wochen. Übernimmst du selbst die Akupunktur-Kosten, kann es schnell teuer werden: Pro Behandlungen können bis zu 70 Euro auf dich zukommen.

Deshalb lohnt es sich frühzeitig über eine private Krankenversicherung nachzudenken. Diese übernimmt die Kosten der Akupunktur, sofern die Schmerzbehandlung medizinisch notwendig ist und von einem Arzt oder Heilpraktiker durchgeführt wird. Ein klassisches Beispiel dafür sind Migränebeschwerden, aber auch Kopf- oder Rückenschmerzen. Allerdings gilt hier – wie auch bei allen anderen Versicherungen – , dass du die Private Krankenversicherung bereits abgeschlossen haben musst, bevor du ihre Leistungen in Anspruch nehmen kannst. Umso wichtiger ist es, dass du dich bereits in Zeiten, in denen du fit bist, informierst und mit der passenden Versicherung vorsorgst. Nur so bist du im Ernstfall abgesichert und vermeidest hohe Kosten.

Private KrankenversicherungSorge dafür, dass du dir medizinisch notwendige Heilbehandlungen leisten kannst.

Therapeutensuche: Finde den Richtigen

Wenn du dich auf die Suche nach dem richtigen Therapeuten begibst, solltest du vor allem darauf achten, dass die Qualifikation stimmt. Vermutlich möchtest du nicht jede x-beliebige Person mit spitzen Nadeln an deinen Körper lassen – zu Recht. „Es ist eine umfangreiche Ausbildung notwendig, man kann die Akupunktur nicht „an einem Wochenende“ lernen“, erklärt Ulrich Sümper. Deshalb sei es wichtig, dass nur Heilpraktiker und Ärzte mit entsprechender Weiterbildung diese Behandlungsmethode anwenden dürfen. Um die zu finden, kannst du dich zum Beispiel an Fachverbände wie die AGTCM, den Fachverband für Chinesische Medizin wenden. Auch Berufsverbände wie der von Ulrich Sümper, der Bund Deutscher Heilpraktiker, können dich dabei unterstützen.

Jetzt wird genadelt: Wie läuft eine Sitzung ab?

Letzten Endes unterscheidet sich eine klassische Akupunktursitzung nicht allzu sehr von unserer Eingangserzählung. Du sitzt oder liegst entspannt da, dann werden nach einer kurzen Massage des jeweiligen Akupunkturpunkts die Nadeln gesetzt. Diese bestehen aus Stahl, Silber oder Gold und sind so dünn, dass der Einstich kaum spürbar ist. Wieviele Nadeln genau zum Einsatz kommen und welche Punkt-Kombinationen bei dir Anwendung finden, hängt von deinen persönlichen Beschwerden bzw. Diagnosen ab – meist sind es aber maximal 15 Piekse. Und die werden nicht unbedingt dort gesetzt, wo man sie erwartet. Hast du zum Beispiel Probleme mit deinem Magen, kann es durchaus vorkommen, dass die Außenseite deines Schienbeins stimuliert wird – also nicht wundern.

Sitzt alles, verbleiben die Nadeln eine Zeit lang in deiner Haut. Es kann gut sein, dass du währenddessen ein dumpfes Schwere- oder Wärmegefühl rund um die Einstichbereiche verspürst. Nach ca. 20-30 Minuten wird das Nadelwerk wieder entfernt, fertig! Der Wirkungseintritt der Akupunktur ist individuell unterschiedlich. Gerade bei akuten Schmerzen kann eine Verbesserung schon nach der ersten Behandlung spürbar sein. In der Regel erstreckt sich eine solche Behandlung aber über 10-15 Sitzungen.

Kann Akupunktur Nebenwirkungen verursachen?

Grundsätzlich ist die Liste an Nebenwirkungen bei der Akupunktur um einiges übersichtlicher als bei medikamentösen Therapien. Maximal der Einstich der Nadeln kann für manche leicht schmerzhaft sein, eventuell fließt ein Tropfen Blut oder es bleibt ein kleiner blauer Fleck. Wer unter niedrigem Blutdruck leidet, sollte – wie ohnehin üblich – auf seinen Kreislauf achten. Infektionen stellen aufgrund des einmaligen Verwendens der Nadeln bzw. deren Sterilisierung keine Gefahr dar.

Nadellose Alternativen

Angst vor Nadeln? Du bist nicht alleine. Glücklicherweise gibt es einige Alternativen zur klassischen Akupunktur, die auf das verhasste Pieksen verzichten. Eventuell musst du allerdings mit einer verringerten Wirksamkeit rechnen.

Laserakupunktur

Hier wird mit Strahlen anstatt Nadeln gearbeitet. Die Energie des Lasers wird dabei auf einen so kleinen Punkt deiner Haut konzentriert, dass er ähnlich wirkt wie die Nadel – aber vollkommen schmerzfrei. Deine Haut wird dabei nicht geschädigt, eine spezielle Schutzbrille ist aber trotzdem ein Muss. Hinsichtlich der Wirksamkeit steht die Laserakupunktur der klassischen in nichts nach.

Akupressur

Bei der Akupressur werden die relevanten Punkte durch Reiben oder Pressen aktiviert. Dazu sind spezielle Massagetechniken nötig, die theoretisch auch in Selbstanwendung erlernt werden können. Allerdings ist hier eine professionelle Anleitung von Vorteil. Eine Studie der Charité Berlin spricht dafür, dass ein solch angeleitetes Vorgehen z.B. eine wirksame Methode bei starken Regelbeschwerden ist. Mithilfe der Akupressur konnten Schmerzintensität und die Menge der eingenommenen Medikamente deutlich reduziert werden. Gerade bei komplexeren Beschwerden solltest du aber unbedingt einen ausgebildeten Therapeuten um Rat fragen.

Moxibustion

Auch die Moxibustion ist Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin. Dabei werden die eigentlichen Akupunkturpunkte anstatt mit Nadeln mit Wärme behandelt. Dafür werden kleine Mengen Moxakraut z.B. in Kegel- oder Zigarrenform verbrannt und an den entsprechenden Stellen platziert. Vor Verbrennungen schützt dich dabei entweder eine Zwischenschicht aus beispielsweise Ingwer oder der Abstand zur Haut, der individuell angepasst werden kann. Alternativ kann auch mit Moxapflastern gearbeitet werden, mithilfe derer die Heilkräuter direkt auf die relevanten Punkte geklebt werden. Diese Methode kannst du auch einfach zuhause ausprobieren. Zur exakten Wirksamkeit der Moxa-Therapie gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Studien.

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