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Achtsame Eltern sein : Wie du lernst, auf den Wellen des Alltags zu surfen

Achtsam zur Ruhe kommen: Nach der Geburt eines Kindes dauert es bis zu sechs Jahre, bis die Eltern wieder so tief und lang schlafen können wie zuvor. Zu diesem Ergebnis kamen britische Forscher im Rahmen einer Befragung von mehreren Tausend Müttern und Vätern. Fest steht: Ein eigenes Kind ist ein Fulltime-Job, Stress im Alltag unvermeidbar. Wie ihr den neuen Lebensabschnitt als kleine Familie gelassen meistert und lernt achtsame Eltern zu sein, darüber haben wir mit der Achtsamkeitstrainerin Anne Hackenberger gesprochen.

Redakteurin Charlotta Witte OEVB
von Charlotta Witte12 Februar, 2021
Achtsame Eltern sein gelingt mit ein paar tipps

Jetzt Losleben: Achtsame Eltern sein – was bedeutet das eigentlich?

Anne Hackenberger: Mit der Geburt eines Babys kommt ein anderer Mensch so nah an uns heran, wie sonst eigentlich niemand. Und dieses Menschlein scheint auf geradezu magische Weise befähigt, all unsere Knöpfe zu drücken. Auch die roten – gnadenlos. Auch um 3 Uhr nachts. Oder sollte ich sagen – gerade um 3 Uhr nachts? Eltern sein heißt auf engstem Raum mit jemandem zu leben, der zu hundert Prozent von uns abhängig ist. Wir können diesem Menschen und all seinen Bedürfnissen nicht ausweichen. Auch dann nicht, wenn wir müde und gestresst oder mit dem Kopf gerade ganz woanders sind und unter massivem Schlafentzug leiden.

Jetzt Losleben: Wie gelingt es, trotz des Stresses ein guter Vater bzw. eine gute Mutter zu sein?

Anne Hackenberger: Die Kinder sollen sich entfalten können, während du gelassen all die Herausforderungen des Familienlebens jonglierst und dabei auch noch ein liebevoller Partner bist. Die Realität sieht meistens anders aus – auch bei mir. Es sind oft die Bilder von einer guten Mutter, die uns so atemlos machen. Die Idee, wir müssten immer funktionieren, nie ausrasten, stets verfügbar sein. Wir können unsere Erwartungen an uns selbst und unsere Kinder getrost zurückschrauben. Weg vom „So lässt es sich organisieren“ hin zum „So macht es uns glücklich“. Es geht nicht darum, die perfekten Eltern zu sein oder so zu tun, als wären wir welche, sondern zu schauen: Wie kann ich meinem Kind ein Vorbild darin sein, glücklich, erfüllt und zufrieden zu leben? 

Die Lieblingsaufgabe unseres Gehirns ist es nun mal, für unser Überleben zu sorgen. Und evolutionsgeschichtlich machen Stressreaktionen sehr viel Sinn.Anne Hackenberger, Achtsamkeitstrainerin

Jetzt Losleben: Weniger Erwartungsdruck gleich weniger Stress?  

Anne Hackenberger: Ganz so einfach ist es nicht. Die Lieblingsaufgabe unseres Gehirns ist es nun mal, für unser Überleben zu sorgen. Und evolutionsgeschichtlich machen Stressreaktionen auch sehr viel Sinn. Wer nicht beim leisesten Knurren des Säbelzahntigers auf dem nächsten Baum saß, ist nicht unser Vorfahre geworden. Und es ist auch gut, dass wir nicht den Bremsweg des herannahenden Autos berechnen, wenn unser Kind auf die Straße gelaufen ist, sondern blitzschnell reagieren. Leider kann unser Gehirn aber nicht zwischen der Bedrohung durch ein Raubtier oder einer anderen realen Gefahr und dem Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht unterscheiden. Wenn wir unter Zeitdruck sind oder sich das Baby weigert, einzuschlafen, ruft das Gehirn Reaktion ebenfalls eine Stressreaktion ab, die hier allerdings unpassend ist. 

Achtsamkeitstrainerin Anne Hackenberger

Jetzt Losleben: Was passiert in unserem Gehirn, wenn es zu Stress kommt? 

 Anne Hackenberger: Manchmal schalten wir schon direkt nach dem Aufstehen den Erledigungsmodus ein. Und zwischen schnell Frühstück machen, anziehen und pünktlich loskommen sind wir mit den Gedanken schon bei all den Aufgaben, die heute zu erledigen sind. Dann wollen wir, dass unsere Kinder einfach nur „funktionieren“ und sind wenig mitfühlend. Dafür hat unser reizüberflutetes Gehirn gar keine Kapazitäten. Wir verfallen in automatische Reaktionsmuster, die oft aus unserer eigenen Kindheit stammen und ungünstig für das Familienklima sind.

Jetzt Losleben: Und wenn nach einem langen Tag abends der Stresspegel noch mal richtig hochschnellt, weil das Baby nicht einschlafen will…

Anne Hackenberger: … dann schaltet das Gehirn in die Kampf-oder-Flucht-Reaktion um. Dafür können wir quasi nichts, denn die Evolution hat uns gewissermaßen einen kleinen Streich gespielt. In Gefahrensituationen schlägt die Amygdala Alarm und unser Gehirn nimmt sozusagen eine Abkürzung zum "unteren" Gehirn, dem Stammhirn und limbischem System. Der präfrontale Kortex, der für das höhere Denken, weise Entscheidungen und auch unsere Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden zuständig ist, kurz, der Sitz unserer Menschlichkeit, wird schlichtweg übergangen. 

Jetzt Losleben: Hier muss ich kurz unterbrechen: Amygdala, was ist denn das?

Anne Hackenbecher: Die Amygdala ist sozusagen der Wachhund im Gehirn. Die Aufgabe dieses Wachhundes ist es, uns zu beschützen und unser Überleben zu sichern, indem Gefahr möglichst frühzeitig erkannt und durch eine blitzschnelle Reaktion abgewendet wird. Also die Amygdala feuert „Alarm“, Adrenalin wird durch den Körper in die große Muskulatur gepumpt, wir machen uns bereit, uns zu verteidigen oder zu fliehen. Wenig sinnvoll, wenn wir gerade ein Baby in den Schlaf wiegen wollen. 

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Jetzt Losleben: Was können wir also tun, um zu lernen achtsame Eltern zu sein?

Anne Hackenberger: Das Wichtigste ist, dass wir ab und zu „vom Baum runterkommen“ und uns bewusst machen, dass hier kein Säbelzahntiger steht, sondern unser zauberhaftes Kind. Stressige Situationen werden wir kaum vermeiden können. Manchmal schlagen die Wellen eben hoch. Aber wir können lernen, auf den Wellen des Alltags zu surfen.

Jetzt Losleben: Welche Materialien braucht es für ein stabiles Surfbrett?

Anne Hackenberger: Es geht nicht darum, immer ausgeglichen und freundlich zu sein – wir haben schließlich ein menschliches Gehirn. Es reicht schon, wenn wir ab und zu wohlwollend bei uns selbst vorbeischauen. Uns ein paar bewusste Atemzüge gönnen und nicht nur unseren Kindern, sondern auch uns selbst ab und zu die Frage stellen: Wie geht es dir gerade? Achtsamkeit ist nichts, was man einfach erledigen könnte. Es geht eher um die innere Haltung, um das Sein und so Sein lassen. Darum, weniger von uns selbst zu fordern, statt mehr. Weniger perfekt zu sein und dafür liebevoller mit uns selbst. Wir müssen nicht all den Erwartungen genügen, die an uns gestellt werden – nicht mal unseren eigenen. Es reicht schon, wenn wir ein bisschen präsenter, ein bisschen wacher, ein bisschen bewusster werden. Das geschieht nicht von heute auf morgen, aber wir können lernen, achtsame Eltern zu sein.

Ja, wir Erwachsenen sind auch nur Menschen und das ist gut so.Anne Hackenberger

Jetzt Losleben: Welche Chancen bringt es mit sich, achtsame Eltern zu sein?

Hackenberger: Das Elternsein oder generell der Kontakt mit Kindern bietet ganz ungeahnte Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung. Weil ich mich nicht länger in meiner Komfortzone verstecken kann, sondern manchmal geradezu brutal aus ihr herausbewegt werde. Weil ich meinen Mustern nicht länger aus dem Weg gehen kann, wenn ich meinem Kind nicht schaden will. Wenn du das nächste Mal Schwierigkeiten mit dem Verhalten eines Kindes hast, dann halte kurz inne, bevor du den Schuldball zum Kind herüber spielst. Nimm einen tiefen Atemzug und beobachte, was in dir vorgeht. Nimm wahr, dass der Schmerz in dir ist und dort angenommen und geheilt werden will. Vielleicht nimmst du in solchen Momenten dein eigenes inneres Kind liebevoll auf den Arm. Dann ist es auch leichter, das Kind, welches vor dir steht, wirklich zu sehen. Es geht nicht um Schuld, sondern um Mitgefühl mit dem Ich. Ja, wir Erwachsenen sind auch nur Menschen und das ist gut so. Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Aber sie brauchen Menschen, die bereit sind, sich mit ihren eigenen inneren Mustern auseinander zu setzen und so gemeinsam mit ihren Kindern zu wachsen.

Jetzt Losleben: Das ist doch eine schöne Perspektive als Schlusspunkt. Vielen Dank, Anne Hackenberger, für das Gespräch!

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